ÖHV-Präsidentin: Wir brauchen eine Reintest-Strategie
ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer sprach mit der ÖGZ über Tests zur Öffnung von Hotels und Gaststätten, die Notwendigkeit von mehr nachhaltigem Investment und warum sich die Branche vor Heuschrecken fürchten muss.
Frau Reitterer, die Gastronomie und Hotellerie will wieder aufsperren. Sie haben selbst immer wieder einen Fahrplan von der Politik gefordert. Für Betriebe herrscht aber weiter Planlosigkeit. Sind Sie sauer oder verstehen Sie die Politik auch ein wenig?
Die Leute wollen doch wieder ins Hotel oder ins Restaurant, da geht es ums soziale Leben und um die Urlaubsmöglichkeiten, die genommen werden. Und natürlich leiden wir Unternehmerinnen und Unternehmer. Wir brauchen Planbarkeit, und wenn man uns sagt, es ist der erste Mai, wäre es noch immer besser als so. Ich habe Hoteliers am Apparat, die völlig verzweifelt sind, die weinen und bei manchen schlägt die Verzweiflung in Frust um, weil es schwierig zu verstehen ist, dass andere Branchen aufsperren können und wir nicht. Man muss ja nur in den Baumarkt schauen, was da los ist. Oder beim Friseur, wo es möglich ist – durch einen Test – drei Stunden dort zu sitzen und sich eine Dauerwelle machen lassen.
Die Regierung argumentiert, man müsse mit den Maßnahmen die Mobilität einschränken. Darum bleiben Gastro und Hotels zu.
Ich verstehe natürlich, dass man nicht will, dass die Leute zu viel von A nach B reisen. Aber, wenn ein Test für den Friseur und auch für alles andere gilt, dann muss er auch fürs Hotel gelten. Mir kann niemand erklären, dass es eine große Gefahr darstellt, wenn wir regelmäßig testen. Wir könnten doch sagen: Wir testen alle zwei Tage jeden durch.
Das geht auch?
Natürlich! Wir müssen nur die richtige Lösungen finden, jeweils auf Ferien- oder Stadthotellerie abgestimmt. In größeren Thermenhotels könnten wir ja sogar Teststraßen für die Bevölkerung aufstellen. Das würde jenen Gemeinden helfen, die vielleicht sonst keinen Platz dafür haben.
Laut ÖHV-Branchenbarometer würde ein Großteil der Unternehmen öffnen wollen. Die Auslastung wird aber auf nur 19 Prozent in der Stadt bis maximal 42 im Thermen-Wellnessbereich geschätzt. Reicht das?
Wenn man weniger als 40 Prozent des Umsatzes des Vorjahres macht, bekommt man den Ausfall-Bonus von 30 Prozent bei einer Deckelung von 60.000 Euro im Monat. In meinem Fall bräuchte ich jede Nacht zwölf volle Zimmer, damit ich den Wegfall der Kurzarbeit decken kann, da ist der Wareneinsatz noch gar nicht eingerechnet. Aber es wäre zumindest die Chance, dass ich meine Leute wieder rein hole, die verzweifeln doch zu Hause.
Vor Covid haben wir vom Fachkräftemangel gesprochen. Jetzt ist ein Drittel der Branche arbeitslos. Diese versuchen, woanders unterzukommen und gehen dem Tourismussektor vielleicht auf Dauer verloren…
…darum müssen wir ja auch aufsperren! Es gibt keine andere Möglichkeit, die Leute zu halten. Ich sagen meinen Leuten, lernt eine Sprache, macht irgendwas sitzt nur nicht die ganze Zeit nur im Pyjama vor dem Fernseher. Ein Großteil macht was. Und alle, die etwas lernen, sind weitaus besser beieinander als die die nichts machen.
Stichwort Hilfszahlungen: Auch durch das Lobbying der ÖHV ist es gelungen, die Deckelung des Fixkostenzuschusses anzuheben. Manche Unternehmen berichten aber noch immer, dass manche Hilfsgelder noch nicht da sind. Was ist Ihr Eindruck?
Auch ich habe erst jetzt die Kurzarbeitsgelder für Oktober bekommen, da braucht man schon einen langen Atem. Allgemein muss ich aber sagen, dass die Hilfen in 90 Prozent der Fälle gut funktionieren. Gerade beim Umsatzersatz für November und Dezember gibt es aber immer wieder Konstellationen, die schwierig sind. Beispielsweise bei einem Thermenhotel, wo die Therme und das Hotel in einer Betriebsgesellschaft sind, oder bei Gesellschaftsumgründungen, oder wenn das Hotel letztes Jahr von Nachfolgern übernommen wurde.
Manche Unternehmer warten aber noch immer auf die Entschädigung nach dem Epidemiegesetz von März 2020!
Manche? Eigentlich alle! Gerade erst 8 Prozent sind angekommen. Jetzt soll das zwar ins Laufen kommen, aber ich glaube es erst, wenn ich es tatsächlich sehe. Wir Unternehmer haben im Sommer gezeigt, wie flexibel wir sind. Das erwarte ich mir auch von den auszahlenden Stellen. Wenn im Februar 2021 noch nicht die Gelder vom März 2020 da sind, dann gibt es für mich keine Erklärung, dass das nicht geht.
Gibt es die Gefahr, dass die zu einem guten Teil familiengeführte Hotellandschaft verloren geht?
Die Investoren beginnen mit ihrer Einkaufstour. Da trifft Bedarf auf der einen Seite auf Chancen auf der anderen. Das ist für beide Seiten eine Perspektive, wenn auch unter konträren Vorzeichen: Die einen müssen verkaufen, die anderen können ihr Unternehmen besser aufstellen: eine Chance für beide Seiten. Riesige Hotels kannst du in Österreich ja kaum mehr bauen. Ich höre von vielen Seiten, dass Interesse bekundet wird. Da kannst du oft nur mehr sagen: Gute Nacht, jetzt sind die Heuschrecken unterwegs! Wer unsere Familienbetriebe erhalten will, muss jetzt handeln.
Der Staat wird ja auch künftig in die Betriebe investieren müssen. Ich frage Sie jetzt als Betreiberin des ersten “Null-Energie-Bilanz Hotels” weltweit: Es muss sich doch etwas grundlegend im Förderwesen ändern, damit wir die Pariser Klimaziele erreichen!
Es gibt eigentlich keinen Grund, dass irgendwer heutzutage auf nicht erneuerbare Energien setzt, außer man hat keine Ahnung und ein Installateur redet einem was ein. Wir sollten radikal auf ein Fördersystem umstellen, das nur auf erneuerbare Energien setzt.
Rund 60 Prozent der Hotels heizen noch immer mit Öl.
Alle investieren gerne dort, wo es der Gast sieht. Aber Förderungen können gute Impulse setzen für Investitionen in die Zukunft. Wir haben bei der Investitionsprämie von 14 Prozent im Bereich Digitalisierung gesehen, dass das gut funktioniert. Da muss es nach dem Auslaufen Ende Februar wieder neue Angebote geben. Man soll nur mehr fördern, was einen nachhaltigen Gedanken hat. Ich würde alle Investitionsanreize streichen, die nicht in die Zukunft investieren. Es ergibt ja beispielsweise keinen Sinn, wenn wir den Bau von neuen Hotels auf der grünen Wiese fördern, und damit glauben dass wir damit Arbeitsplätze schaffen. Die Arbeitsplätze wandern nur von A nach B.