Verhandlungsprotokolle

Ohne Arbeitskräfte, ohne Strategie, ohne Zukunft?

Blau-Schwarz ist geplatzt: Was im "geheimen" Verhandlungsprotokoll von FPÖ und ÖVP wirklich stand – und was das für den Tourismus bedeutet hätte.

Die der ÖGZ vorliegenden Verhandlungsprotokolle aus den mittlerweile abgebrochenen Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ geben einen ersten Eindruck, wohin die Reise für den Tourismus in Österreich hätte gehen soll. Wer auf große Neuerungen gehofft hatte, wurde enttäuscht. Statt einer mutigen Strategie gibt es vage Formulierungen, halbgare Maßnahmen und vor allem eines: einen gefährlichen Realitätsverlust in der Arbeitsmarktpolitik.

Denn während die Tourismusbetriebe in den Alpenregionen händeringend nach Fachkräften suchen, halten die Verhandler stur an einer künstlichen Begrenzung der Saisonierkontingente fest. Dass der heimische Arbeitsmarkt das Problem längst nicht mehr lösen kann, wird schlichtweg ignoriert. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Ohne mehr ausländische Arbeitskräfte drohen dem österreichischen Tourismus Milliardenverluste.

Der blinde Fleck der Politik: Arbeitskräftemangel eskaliert

Österreichs Tourismus ist weltweit bekannt für seine Qualität, Gastfreundschaft und seinen erstklassigen Service. Aber all das funktioniert nur, wenn es gut ausgebildetes Personal  in ausreichender Anzahl gibt. Die Realität ist: Die Tourismusbranche braucht weit mehr Beschäftigte, als aktuell zur Verfügung stehen.

Die Verhandler der Koalition tun jedoch so, als wäre der Fachkräftemangel eine lösbare Aufgabe mit ein paar netten Begleitmaßnahmen. Statt endlich einen offenen Zugang zum internationalen Arbeitsmarkt zu schaffen, wollen sie Saisonnier-Obergrenzen beibehalten. Ein fataler Fehler, der Österreich nicht nur Wachstum kostet, sondern die Branche langfristig schwächt.

Denn in vielen Regionen – insbesondere in den ländlichen Feriengebieten – existiert schlichtweg nicht genug Personal. Jeder Betrieb würde liebend gerne Einheimische beschäftigen, aber die gibt es in dieser Anzahl einfach nicht. Wer mit der Realität in den Tourismus-Hotspots vertraut ist, weiß das. Warum also nicht die Politik?

1,2 Milliarden Euro BIP-Ausfälle – und noch kein Ende in Sicht

Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind längst absehbar. Eine bereits vorliegende Studie der renommierten Ökonomin Monika Köppl-Turyna zeigt, dass der Tourismus durch die Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre bereits 1,2 Milliarden Euro an BIP-Ausfällen hinnehmen musste. Und das ist nur eine konservative Schätzung – die tatsächlichen Zahlen dürften inzwischen noch höher liegen.

Statt Österreichs Tourismus als internationalen Vorzeigebereich weiter auszubauen, wird er künstlich ausgebremst. Die Gäste sind da, das Wachstumspotenzial auch – aber die Regierung setzt weiter auf einen Arbeitsmarkt, der einfach nicht ausreicht. Eine Tourismus- und Arbeitsmarktpolitik mit Weitblick? Fehlanzeige.

Tourismusstrategie? Digitalisierung? Fehlanzeige!

Und als wäre das nicht genug, ist auch der Rest des Kapitels zum Tourismus ein Dokument der verpassten Chancen.

Keine echten Zielvorgaben: Weder mittelfristige Wachstumsperspektiven noch messbare Erfolgsindikatoren sind festgelegt.
Digitalisierung? Ein Fremdwort: Onlinevertrieb, moderne Buchungssysteme, smarte Besucherlenkung? Im Papier bestenfalls Randnotizen.
Keine echte Internationalisierungsstrategie: Wie Österreich sich als Premium-Destination international positionieren will, bleibt im Dunkeln.

Statt einer mutigen Vision für die Zukunft gibt es nur altbekannte Fördermaßnahmen und vage Formulierungen.

Österreichs Tourismus verdient eine bessere Politik

Es gibt zwei Möglichkeiten:

Weiter an überholten Arbeitsmarktregeln festhalten, die Wachstum und Qualität gefährden. Oder den Tourismus ernst nehmen, ihn mit einer modernen Arbeitsmarkt- und Digitalisierungsoffensive zukunftsfähig machen.
Wer glaubt, dass Österreichs Tourismus ohne ausländische Arbeitskräfte auskommt, ignoriert die Realität. Wer weiterhin an starren Saisonnier-Kontingenten festhält, riskiert einen qualitativen Abstieg.

Die Politik muss endlich ihre Augen öffnen. Es braucht eine ehrliche Debatte über den Arbeitsmarkt, über Fachkräfte und über die Zukunft einer der wichtigsten Branchen des Landes.

Faktencheck der ÖGZ: 

Wirtschaftliche Auswirkungen des Arbeitskräftemangels im Tourismus:

Die EcoAustria-Studie unter der Leitung von Monika Köppl-Turyna hat ergeben, dass der Arbeitskräftemangel im Tourismus zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um etwa 1,2 Milliarden Euro pro Jahr führt.
Quelle: ÖHV
Dieser Mangel entspricht rund 9.500 unbesetzten Vollzeitstellen in der Branche.
Quelle: ecoaustria.ac.at

Saisonnier-Kontingente:

Für das Jahr 2024 wurde das Saisonnier-Kontingent im Tourismusbereich auf 4.295 Plätze festgelegt, was einer geringfügigen Erhöhung gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Angesichts von 14.602 offenen Stellen im Tourismus (Stand: Jänner 2024) deckt dieses Kontingent lediglich einen Bruchteil des tatsächlichen Bedarfs ab.
Quelle: WKO.AT
Quelle: www.bmaw.gv.at

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