Was ist da los, Herr Bundeskanzler?
Exklusiv: Ein Interview von ÖHV-Präsident Veit in der "Kronen Zeitung" schlägt hohe Wellen. Die ÖGZ hat nachgefragt - und Erstaunliches erfahren.

Aufs Cover der Kronen Zeitung geschafft hat es ÖHV-Präsident Walter Veit. Seine Botschaft: „Der Kanzler stimmt uns sehr traurig“.
Die Kritik an Bundeskanzler Karl Nehammer bezieht sich auf dessen Zukunftsrede. Nun kann man inhaltlich natürlich unterschiedlicher Auffassung darüber sein, wie gut oder schlecht Nehammers Rede tatsächlich war. Doch darum geht es nicht. Dem ÖHV-Präsidenten stößt eine Sache besonders sauer auf. Nehammer habe in seiner Rede „den wichtigen Tourismus nicht angesprochen“. Walter Veit trifft das hart, der Stachel sitzt tief.
Die ÖGZ als Österreichs Branchenmedium Nummer 1 hat selbstverständlich sofort nachgefragt und dieses Exklusivinterview mit dem ÖHV-Präsidenten geführt.
Herr Veit, der ÖHV-Präsident auf dem Cover der Kronen Zeitung – das ist nicht alltäglich. Wie kam es dazu?
Das war eine ganz interessante Geschichte – beim ersten Anruf des Redakteurs war ich im Ausland, auf Urlaub, hatte ganz anderes im Kopf, darum haben wir für das Interview auf später verschoben. Es sollte ein Resümee der Saison werden. Wir gehen Monat für Monat durch, und als wir auf den März zu sprechen kommen, fallen mir die entsetzten Nachrichten und Anrufe zur Kanzlerrede ein, die mich aus meinem Urlaubsfeeling rissen – ich hatte die Rede ja nicht einmal auf dem Plan. Und der Kanzler und seine Redenschreiber hatten den Tourismus nicht auf dem Plan. Das hat viele Kollegen massiv verstört. Aber dass das letztendlich auf der Titelseite landet, hat mich auch überrascht.
Dass der Kanzler in einer groß angelegten Zukunftsrede nicht jede Branche gesondert bespricht, ist aber auch klar. Finden SIe nicht?
Wobei der Tourismus schon hervorsticht mit seinen Beschäftigungseffekten bis in die hintersten Täler, mit seinen Aufträgen für das lokale Gewerbe, seinem enormen Beiträgen zu BIP und Leistungsbilanz. All das, das ganze Potenzial, das dahintersteckt, unter den Tisch fallen lassen, und gleichzeitig eine andere hochstilisieren mit nicht einmal einem Hundertstel der Betriebe – 900 in der Automobilindustrie gegenüber 92.900 im Tourismus – und einem Bruchteil der Beschäftigten: Das sorgt natürlich für Irritationen bei allen im Tourismus, die dem Kanzler gespannt zu hören und sich denken: „Wenn diese Mini-Branche so viel Aufmerksamkeit bekommt, wie viel Redezeit und welche genialen Ideen hat er dann für den Tourismus.“ Na ja – keine.
Dass die Autozulieferindustrie so viel Aufmerksamkeit bekam, hatte wohl spezielle Gründe – etwa das Wohlwollen der Industrie zu sichern und möglicherweise die des rechten Wählerspektrums.
Das mag sein. Faktum ist, dass der Tourismus – ganz ähnlich der Automobilindustrie – in einem riesigen Transformationsprozess steckt. Da müssen sich die Rahmenbedingungen mitentwickeln, da braucht es politisches Leadership. Darum geht es. Das ist existenziell.
Wo steckt die Branche in diesem Prozess?
Das ist sehr unterschiedlich – zum Teil von Betrieb zu Betrieb, aber auch in den unterschiedlichen Handlungsfeldern. Am weitesten, aber noch nicht weit genug, sind wir bei der Digitalisierung: Da haben wir immense Fortschritte gemacht bei der Online-Buchung, beim WLAN für die Gäste, auch wenn es da immer Luft nach oben gibt, weil Ansprüche und Herausforderungen – siehe etwa Cybercrime – ständig wachsen.

© Kronen Zeitung
Apropos Corona: Die Pandemie wird wohl das Sinnbild dafür sein, was nicht alles für den Tourismus getan wurde.
Ja, das wird das Standard- und Totschlag-Argument. Dabei wurden die Betriebe – anders als beim direkten Konkurrenz in der Schweiz etwa – als erste und am längsten geschlossen, dann mit Bürokratie überfrachtet, um meist nur einen Bruchteil der Ausfälle zu kompensieren, damit Mitarbeiter vertrieben und die ganze Branche als Krisengewinner abgestempelt. Das steht schon in den Drehbüchern, für den Blick nach vorne bleibt da in der knappen politischen Debatte wenig Platz.
Eine Herausforderung für die ÖHV als Interessenvertretung.
Nicht nur für uns, für jede Interessenvertretung im Tourismus, die die Rahmenbedingungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterentwickeln will. Es wird Druck aus der Branche brauchen und keine parteipolitische Brille. Wer sich als Vorfeldorganisation für wen auch immer vor den Karren spannen lässt, tut der Branche nichts Gutes.