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Von London nach Wien-Meidling
Bild oben: Felix Bollen (li.) und Anton Borkmann haben mit dem Gleis//Garten ein spannendes Gastro-Konzept umgesetzt.
Das alte Backsteingebäude aus dem Jahr 1907 strahlt eine eigenwillige Ruhe aus, die sich mit der coolen Lebendigkeit seines neuen Zwecks mischt. Hier, in der ehemaligen Remise der Badner Bahn, trifft Genuss auf eine sehenswerte Industriekulisse. Einst wurden hier Zuggarnituren gewartet, heute dringt der Duft von internationalen Speisen durch die Halle. Der Gleis//Garten hat die historische Architektur des Gebäudes weitgehend unangetastet gelassen – und genau das macht den besonderen Charme aus. „Wir wollten die Geschichte des Ortes bewahren“, sagt Felix Bollen, einer der beiden Gründer. Man spürt hier, dass die Mauern etwas erzählen. Und das wollte man nicht überdecken, sondern lediglich ergänzen.
Die großen Tore, die einst Waggons Platz boten, öffnen sich heute zu einem großzügigen Innenhof, in dem Tische und Stühle unter warmen Spotlights und Olivenbäumen stehen. Der Ort fühlt sich trotzdem einladend und lebendig an – nicht zuletzt wegen der bunten Mischung aus Gastronomieständen, die die historische Halle mit Leben füllen.
Food Market mit internationaler Prägung
Die beiden Gründer Felix Bollen und Anton Borkmann, die sich während ihrer Schulzeit in London kennenlernten, bringen Erfahrungen aus der britischen Gastro-Szene mit. Dort setzten sie mit ihrer Brauerei „German Kraft“ bereits auf eine Kombination aus Craft-Bier und abwechslungsreicher Streetfood-Küche. Ihre Londoner Projekte fanden Anklang, etwa im Mercato Metropolitano oder in einer alten Kirche in Mayfair. Mit dem Gleis//Garten wollten sie dieses Konzept nach Wien übertragen – ein ambitioniertes Vorhaben, denn Food Markets sind hierzulande praktisch unbekannt.
„Die Idee war, einen Ort zu schaffen, der internationalen Flair und lokale Kreativität verbindet“, erklärt Bollen im ÖGZ-Interview. Gastronomen können sich Stände mieten, zahlen eine umsatzabhängige Miete und profitieren von einem Rundum-Service: Infrastruktur, Reinigung und Marketing übernimmt das Betreiber-Team. Ein Vorteil, der vor allem kleinen Anbietern zugutekommt. Sie können sich aufs Wesentliche konzentrieren: aufs Kochen.
Plattform für junge Gastronomen
Neben den fixen Ständen für Gastronomen gibt es einen „Local Hero“-Platz, der regelmäßig wechselt. Hier sollen neue Konzepte getestet werden. „Wenn jemand glaubt, das beste Gulasch der Stadt zu machen, kann er es bei uns unter Beweis stellen“, so Bollen gegenüber der ÖGZ. Doch ob das Konzept tatsächlich die Hemmschwelle für viele junge Gastronomen senkt, bleibt abzuwarten. Zwar reduziert das Modell finanzielle Risiken, doch der Wettbewerb auf einem kleinen, aber ambitionierten Markt könnte Einsteiger dennoch abschrecken. Für die Gäste bringt die regelmäßige Rotation jedenfalls Vorteile: Das Angebot bleibt abwechslungsreich.
Bier aus eigener Brauerei: Frisch
Im sprichwörtlichen Zentrum steht die hauseigene Brauerei. Hier wird Bier direkt vor Ort gebraut und ohne Umwege aus dem Tank serviert. Die Palette reicht von klassischen Bieren wie fränkischem Hellen bis zu trendigen IPAs. Saisonale Spezialitäten ergänzen das Angebot.
Bollen betont, dass Qualität und Regionalität im Vordergrund stehen. Zutaten wie Hopfen und Malz kommen aus der Region, Spirituosen werden von lokalen Produzenten bezogen. Die Konzentration auf kleine Betriebe ist löblich, allerdings nicht neu – viele Craft-Brauereien setzen mittlerweile auf ähnliche Werte. Was die Brauerei ‚Vienna Kraft‘ ausmacht, ist, dass alle Biere frisch aus dem Tank vor Ort gezapft werden. Unfiltriert, unpasteurisiert und direkt von der Quelle.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gleis//Garten sind Veranstaltungen. Über 350 Events pro Jahr sollen Besucher anlocken. Von Live-Musik und Kindertagen bis hin zu Workshops reicht das Programm. Ein so ambitioniertes Programm erfordert aber auch einen hohen logistischen und personellen Aufwand – und diesen Standard muss man halten können.
Ambitionierte Visionen, klare Herausforderungen
Bollen und Borkmann, beide noch keine 30 Jahre alt, gehören zur neuen Generation von Gastronomen, die moderne Ansätze mit nachhaltigem Denken kombinieren wollen. Doch ob der Gleis//Garten langfristig funktioniert, wird auch von den eingemieteten Gastronomen und ihrem Angebot abhängen.
Der Fokus auf internationale Konzepte und lokale Produzenten ist grundsätzlich vielversprechend, birgt aber auch Risiken. Wien ist bekannt für seine traditionsbewusste Gastro-Kultur – und Experimente wie Food Markets müssen sich ihren Platz oft erst erkämpfen. Der Gleis//Garten ist aber auf einem guten Weg dorthin, denn er bietet viel Raum für Genuss, Begegnung und Experimente. Doch wie bei jedem neuen Konzept wird sich zeigen, ob die Mischung aus Bierkultur, Food Market und Event-Location in Wien langfristig aufgeht. Für Gäste, die Neues ausprobieren wollen, ist ein Besuch auf jeden Fall interessant.