Optimistische Analyse
„Klientel für die Spitzengastro gibt es weiterhin“
Bild oben: Optimismus in Salzburg: Andreas Senn, Michael Malat und Johann Schmuck (v.l.n.r.) diskutierten über die Zukunft der Gourmetküche.
Man ist sich am Tisch schnell einig: Die mit knapp zwei Jahren Vorlauf angekündigte Schließung des einstmals besten Restaurants der Welt ist ein gelungener „Marketing-Gag“. Andreas Senn („Senn’s“), dessen Küche selbst zwei Michelin-Sterne trägt, verweist nur auf einen Punkt: „Wenn sich das „Noma“-Konzept nicht rechnet, würde man doch sofort schließen“. Zwei Mal jährlich lädt der Salzburger Spitzenkoch zu seinen „Hintergrundgesprächen“, bei denen brennende Themen der Gastronomie in kleinem Kreis von Auskennern diskutiert werden. Diesmal sitzen u. a. Winzer Michael Malat und Kochkollege Johann Schmuck („Broadmoar“) mit am Tisch. Senn ist kein Schönredner. „Die Energiekosten haben sich bei uns vervierfacht“, zitiert er aus der Buchhaltung. Allerdings habe man 2022 auch „das bisher beste Ergebnis“ eingefahren.
Spezialisierung an der Spitze
Mit Produkten wie Tristan-Lobster, Gänseleber oder schwarzem Seehecht fokussiert sich das „Senn’s“ auf international bekannte Edelprodukte als „Star auf dem Teller“ (© Andreas Senn). Diese Küche müsse man zwar verstehen, doch knüpft der Spitzenkoch daran auch eine Beobachtung aus der jüngsten Zeit: „Nach Corona gab es einen Gästewechsel. Es kommen vermehrt junge Gäste unter 40 Jahren, die sich das bewusst aussuchen und wissen, dass das auch etwas kostet“. Konkret liegt der Menüpreis für sieben Gänge bei 250 Euro, „die Spitzengastronomie wird aber sicher überleben“, ist der ohne Sponsor agierende Senn sicher.
Allerdings werde man sich auch hier spezialisieren müssen. Als er selbst etwa mit „Fine Dining“ in Kitzbühel aktiv war, habe man an manchen durchaus wohlhabenden Gästen vorbeigekocht: „Diese Küche können sie in Hamburg oder München jeden Tag genießen, im Skiurlaub wollten sie lieber Regionales“. In Salzburg wiederum sei das – nicht nur zu Spitzenzeiten wie den Festspielen oder rund um die GAST-Messe – anders. „80% unserer Gäste kommen aus dem internationalen Bereich“, sieht Andreas Senn diese Art des Genießer-Tourismus hart an der Grenze zu Deutschland auch nicht durch „Flugscham“ gefährdet.
160-Euro-Menü im 100 Seelen-Ort
Während die „eingeflogene“ Klientel in Salzburg also klar zum Kalkulationsmodell gehört, sieht das im 100 Einwohner zählenden Oisnitz in der Südsteiermark anders aus. „Unser Restaurant war immer auf Freitag und Samstag hin kalkuliert“, erzählt Johann Schmuck über das „Broadmoar“. 160 Euro machen das große Menü aber auch hier zu einer kostspieligen Sache. Mit seinen mittlerweile drei Lokalen rund um Stainz beobachtet aber auch am Land er eine Entwicklung: „Es funktioniert, dass Gäste, die anfangs nur zum Mittagessen um 25 Euro kamen, auf das 160 Euro-Menü wechseln“.
Das heuer dazugekommene „Terra“ – mit 16 Plätzen eher ein „Chef’s Table“ in Schmucks „Die Mühle“ denn eigenes Restaurant – sei insofern aus seiner Sicht kein finanzielles Risiko gewesen. Man habe damit vielmehr eine unproduktive Fläche (das frühere Lager im Keller) zu einem Umsatzbringer gemacht. Zudem verteilen sich nun Arbeitsstunden und Ruhetage günstiger. Der junge Steirer hätte das aber nicht getan, wenn er nicht ebenfalls überzeugt sei, „dass es die Klientel für die Spitze gibt“. Denn in einem befindet sich der 33-Jährige Schmuck bei allen Unterschieden der Küchenlinie mit Andreas Senn in einem Boot: „Auch ich habe keinen dahinterstehen, der hineinbuttert“. Anders gesagt: Österreichs Spitzengastronomie kann sich nicht nur rechnen. Es gibt sie vielmehr nur mehr, weil sie sich auch auszahlt.