Kommentar: Innenstädte sind für die Gastronomie zu teuer

Miete
25.02.2019

 
Weil im ehemaligen Café Griensteidl jetzt eine Billa-Filiale einziehen wird, gehen die Wogen in Wien hoch. Die irrwitzigen Mieten lassen wohl keine andere Lösung mehr zu.
Das Café Griensteidl zu seiner Blütezeit im 19. Jahrhundert
Das Café Griensteidl zu seiner Blütezeit im 19. Jahrhundert
Toplage am Michaelerplatz

Die Kaffeehauskultur und jede Form von unabhängiger, inhabergeführter Gastronomie hat auf lange Sicht keine Chance mehr in Toplagen. Das Café Griensteidl residierte am Michaelerplatz direkt gegenüber der Hofburg in unmittelbarer Nachbarschaft zur Herrengasse und Kohlmarkt – Wiens edelste Adressen. Die Gastronomie kann die hier und an anderen Toplagen wie der Mariahilferstraße oder der Getreidegasse in Salzburg verlangten Mieten schlicht nicht mehr bezahlen.

Berndt Querfeldt, der schon einige Traditionshäuser in guten Lagen betreibt (Café Landtmann am Ring, Café Mozart neben der Staatsoper oder das Café Museum am Karlsplatz), hat im „Kurier“ vorgerechnet, was man am Michaelerplatz umsetzen müsste: 12.500 Tassen Kaffee an einem durchschnittlichen Tag. Denn der durchschnittliche Mietpreis für Gewerbeflächen in der Innenstadt liegt mittlerweile bei 400 Euro pro Quadratmeter. Im Falle des ziemlich großen Griensteidl (knapp 400 qm) wären das mehr als 150.000 Euro Monatsmiete. Das kann sich auch der an der Toplage interessierte Berndt Querfeld nicht mehr leisten, der nicht gerade zu den günstigsten gastronomischen Anbietern Wiens zählt… Auch im Griensteidl ist er von einem durchschnittlichen Tassenpreis von 4 Euro ausgegangen. Es reicht trotzdem nicht. Und 6 Euro (oder 14 wie am Markusplatz in Venedig) auszugeben sind selbst die spendabelsten Touristen in Wien noch nicht bereit - trotz kaiserlichem Pomps in Sichtweite. 

Auch Coffeeshops sind abgesprungen

Auch andere Gastronomen waren laut „Kurier“ am Standort Michaelerplatz interessiert, internationale Coffeeshop-Ketten zum Beispiel. Aber auch die haben sich letztendlich dagegen entschieden. So wie der ehemalige Mieter des Cafe Griendsteidl Attila Dogudan aufgrund der hohen Miete 2017 das Handtuch geworfen hat. Solche Lagen können sich mittlerweile nur noch große Textilketten oder eben Supermärkte mit Systemgastronomie leisten. Weil es denen an solchen Standorten eher darum gehe, gesehen zu werden, als wirklich Geld zu verdienen, sagt Immobilienexperte Stefan Krejci von Remax. Für Rewe ist die kommende Filiale ein „Prestige-Projekt“, wie deren Sprecher Paul Pöttschacher zugibt. Der Billa-Corso soll auf zwei Stockwerken und 650 qm „etwas Besonderes“ werden – mit dem Schwerpunkt des „schnellen Sofort-Verzehrs“ inklusive gastronomischem Angebot.

Größenwahn

Eigentümer der Immobile ist übrigens die Schweighofer-Gruppe. Deren Sprecher Thomas Huemer betont, dass man es am Standort mit rein gastronomischen Konzepten versucht habe: 2017 mit dem „Rien“ und 2018 mit dem „Café Klimt“. Aber eben zu gesalzenen Mieten.

Im späten 19. Jahrhundert nannte man das Griensteidl „Café Größenwahn“ aufgrund der illustren Stammkundschaft, die dort verkehrte. Den Namen könnte man heute wieder vergeben. Aber nicht wegen der Kundschaft, sondern wegen des Eigentümers der Immobilie.

Aber was soll man machen? Der Markt bestimmt halt die Preise, sagen die Anhänger einer „freien“ Marktwirtschaft… Und der bestimmt offenbar auch, wie sich unsere Innenstädte entwickeln. Es ist traurig. Und fast überall auf der Welt das gleiche Trauerspiel. Immerhin stellt das eine Chance für die „Peripherie“ dar: Dann werden die tollen Lokale in Wien halt außerhalb des Gürtels aufsperren oder in Salzburg jenseits der Linzer Straße. Ein paar sind ja schon da.