Bürokratie
Lebensmittelkennzeichnung: Transparenz oder Tortur?
Es sind 2,2 Millionen Mahlzeiten und damit fast zwei Drittel der täglich außer Haus verzehrten Speisen, die in Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung konsumiert werden. Deren Betreiber müssen nun verpflichtend angeben, woher sie Fleisch, Milch und Eier beziehen. Betroffen sind Großküchen in Kantinen, Krankenhäusern und Schulen. Die Verordnung wurde von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kundgetan.
„Wir haben uns um eine gute Lösung für alle Beteiligten bemüht. Auch seitens der Kantinen besteht großes Interesse an einer durchgehenden Kennzeichnung, dem die Verordnung entspricht. Nur Transparenz schafft schließlich Vertrauen. Deshalb muss jeder Gast auf den ersten Blick erkennen können, woher das Schnitzel, der Käse oder das Spiegelei stammen. Durch verpflichtende Kontrollen können wir das gewährleisten“, betont Bauernbund-Präsident Georg Strasser.
In die Pflicht genommen
Die Vergleichbarkeit ermögliche es, eine bewusste Entscheidung für die heimische, nachhaltig produzierende Landwirtschaft zu treffen, so Strasser: „Mit der Regelung zum verpflichtenden Nachweis bei freiwilliger Kennzeichnung nehmen wir zudem die Gastronomie in die Pflicht. Dort gilt in Zukunft: Was auf der Speisekarte angegeben wird, muss nachweislich auch am Teller sein. Wo Österreich draufsteht, muss Österreich drin sein.“
Die Verordnung zur Herkunftskennzeichnung der Zutaten Fleisch, Milch und Eier in Großküchen trat bereits am 1. September 2023 in Kraft und betrifft vorerst nur die Gemeinschaftsverpflegung, also Kantinen, Spitäler oder ähnliche Einrichtungen. „Das bringt bei vielen Speisen im täglichen Außer-Haus-Verzehr die Gewissheit, woher die darin enthaltenen Rohstoffe stammen. Dank der engagierten Arbeit von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig wird eine langjährige Forderung des Bauernbundes endlich umgesetzt. Davon profitieren nicht nur die Bäuerinnen und Bauern, sondern die gesamte Gesellschaft“, so der Bauernbund-Präsident weiter.
Darüber hinaus fordert Strasser alle Akteure entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette auf, die Herkunftskennzeichnung zu nutzen, um auf Lebensmittel aus Österreich zu setzen, denn: Verschärft werden auch die Vorgaben für Gastronomiebetriebe, bei freiwilligen Angaben der Herkunft muss ein verpflichtender Nachweis erfolgen. „Eine Irreführung des Konsumenten ist damit nicht mehr möglich. Sollte im Gasthaus etwa zur Gansl-Saison österreichische Weidegans angeboten werden, dann muss das auch nachweislich und kontrollierbar der Fall sein. Wenn auf der Speisekarte ‚Österreich‘ angegeben ist, muss auch durchgehend ‚Österreich‘ enthalten sein. Das schafft Vertrauen und Sicherheit“, so Strasser.
Qualität vor den Vorhang
Zufrieden mit der neuen Regelung zeigt sich auch der Präsident der GV-Austria, dem Dachverband der Österreichischen Gemeinschaftsverpfleger, Manfred Ronge. Die österreichischen Gemeinschaftsverpfleger verarbeiten bereits seit Jahren einen sehr hohen Anteil an heimischen Rohwaren. „Daher waren wir von Anfang an nicht gegen die Herkunftskennzeichnung, sondern sehen das als Chance, unsere Leistungen und die Qualität unserer Speisen vor den Vorhang zu bringen.“ Die Herkunftskennzeichnung werde helfen, Transparenz für die Konsumenten zu schaffen und das Vertrauen in die Küchen der Krankenhäuser, Schulen, Kantinen, Mensen oder Pflegeheime zu stärken. „So können täglich über zwei Millionen Menschen darauf vertrauen, hochwertige Speisen in unseren Einrichtungen zu bekommen. Die Gemeinschaftsverpfleger sind sich seit Jahren ihrer Verantwortung voll bewusst“, so
Ronge.
Gastronomen kontern
Weniger euphorisch in Bezug auf die neue Verordnung zeigen sich die heimischen Gastronomen und Branchenvertreter. Schließlich ist es denkbar, dass das neue Regulativ bald auf die gesamte Branche, also alle Restaurants, Imbisse und Gaststätten, ausgeweitet werden könnte. Das bedeutet eine Menge Mehraufwand in einer Branche, die ohnehin bereits unter Druck steht. Zudem habe, so der Grundtenor, die Herkunft eines Produktes alleine mit dessen Hygiene- und Produktionsstandards nichts zu tun.
„Eine generelle Herkunftskennzeichnungs-Verpflichtung für alle gastronomischen Betriebe ist mit erheblichen Mehraufwendungen für die heimischen Unternehmen verbunden. Weitere bürokratische Belastungen der Branche, die ohnehin an allen Ecken und Enden zu kämpfen hat, sind für mich ein absolutes No-Go“, sagt etwa Thomas Mayr-Stockinger. Er ist Oberösterreichs Wirtesprecher, Gastronom und Hotelier aus Ansfelden „Die Herkunftskennzeichnung sagt nichts über die Qualität aus. Eine national verpflichtende Herkunftskennzeichnung für die österreichische Gastronomie verbessert weder die Sicherheit der Lebensmittel noch das Tierwohl!“
Tierschützer unzufrieden
Auch vonseiten des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) hagelt es Kritik. Die gesamte Gastronomie würde „aus der Verpflichtung genommen werden“, so der VGT in einer Aussendung. Außerdem würde weiterhin die Haltungskennzeichnung fehlen, die „für den Tierschutz besonders relevant“ sei. Denn Tierprodukte aus Österreich könnten trotzdem aus der „miesesten Vollspaltenhaltung“ stammen.
„Der Konflikt um eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung schwelt jetzt schon einige Jahre. Lobenswert, dass es jetzt zu einem ersten Schritt gekommen ist. Doch muss klar sein, dass wir hier nicht stehen bleiben dürfen. Letztlich muss auch die Gastronomie voll einbezogen werden, ob die Wirtschaftskammer will oder nicht. Das gilt insbesondere für eine Haltungskennzeichnung, sowohl für Supermärkte, als auch für Verarbeiter, Großküchen und die Gastronomie“, so der Obmann des VGT, Martin Balluch.
Der VGT fordert daher, dass auch jedes Tierprodukt in Österreich klar gekennzeichnet sein müsste. Ersichtlich müsste sein, ob es sich um „eine üble, konventionelle Tierfabrikshaltung“ oder um „eine deutlich bessere Tierwohlhaltung“ gehandelt hatte. Diese Kennzeichnung müsse nachvollziehbar und kontrolliert erfolgen. „Nur dann besteht die Chance, echte Verbesserungen im Nutztierschutz vor ausländischer Billigkonkurrenz zu schützen“, so Balluch. Nur so könnten Konsumentinnen und Konsumenten frei entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben möchten.
Kennzeichnungspflicht tierischer Produkte
Die neue Verordnung betrifft aktuell alle Betriebskantinen sowie Ausspeisungen in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Dabei ist es irrelevant, ob Großküchen privat oder öffentlich geführt werden. Die Verordnung umfasst:
• Fleisch von Rindern, Schweinen, Geflügel, Schafen, Ziegen oder Wild
• Milch und Milchprodukte wie Butter, Topfen, Sauerrahm, Joghurt, Schlagobers und Käse
• Ei und Eiprodukte wie Flüssigei, -eigelb, -eiweiß und Trockenei
Seit 1. September muss beim Fleisch das Tier im angegebenen Herkunftsland geboren, gemästet und geschlachtet werden. Bei Milch ist es verpflichtend, dass das Land, in dem sie gemolken wurde, und bei Eiern das Land, in dem sie gelegt wurden, gut sichtbar angeführt wird.