Ausbildung

Ein Angebot, das man nicht ablehnen sollte

Ausbildung
17.10.2024

Von: Thomas Askan Vierich
Auf Initiative einer Lehrenden an der Wirtschaftsuni Wien hat sich der Club der Kaffeehausbesitzer in Wien daran gemacht, eine neue, branchenübergreifende Form der Lehre in Gastronomie und Hotellerie ins Leben zu rufen: die Premiumlehre. Lehrlinge und Partnerbetriebe gesucht!
Premiumlehre

Was ist das Problem mit der Lehre? Sie ist fad. Speziell in der Gastronomie / Hotellerie wird man als junger Mensch oft immer noch als billige Arbeitskraft ausgebeutet. Viel Geld gibt’s auch nicht – in anderen Branchen wird auch schon in der Lehrlingsausbildung oft besser bezahlt. 
Das ist so ungefähr das Bild, das junge Menschen und ihre Eltern von einer Koch/Kellner-Ausbildung oder einer Lehre zur Rezeptionistin haben. Ich kann das als ehemaliger Lehrer an einer Polytechnischen Schule mit Ausbildungsschwerpunkt Tourismus leider bestätigen. Ich rede mir durchaus den Mund fusselig, preise die tollen Möglichkeiten, die man weltweit (!) im Tourismus hat. Dennoch wollen vor allem die Burschen lieber Kfz-Mechaniker werden. Und die Mädels lieber in einem Beruf mit „Schönheit“ arbeiten. Oder im Supermarkt. Was willst machen?

Fächerübergreifende Lehre

Das fragte sich auch Monika Brunner-Strobl, Wirtschaftspädagogin an der Wirtschaftsuni Wien. Und trat mit der Idee einer fächerübergreifenden Lehre an die Wirtschaftskammer heran – genauer: an den Klub der Wiener Kaffeehausbesitzer. Ihre Idee: Warum nicht eine Lehre modular aufbauen? Der Lehrling ist bei einem Lehrbetrieb angestellt und versichert. Hat aber die Möglichkeit während seiner/ihrer Lehre auch in andere Betriebe hineinzuschnuppern. Nicht unbedingt in einen anderen gastronomischen Betrieb oder ein Hotel. Das gibt’s ja schon. Sondern bei einem Fleischhauer, einer Gemüsebäuerin, einer Brauerei, einem Schneckenzüchter, einer Winzerin, einer Konditorin. Im ersten Lehrjahr in Wien, im zweiten irgendwo in Österreich und im dritten sogar im Ausland. Ein paar Tage bis zu mehreren Wochen. So bekommt man eine Zusatzausbildung als veganer Koch, Käsesommelier, eine Ahnung, wo das Fleisch herkommt oder wie Bier gebraut wird. Oder was eine Aubergine oder eine Zichorie ist. Dass es unterschiedliche Tomatensorten gibt, die unterschiedlich schmecken und unterschiedlich verarbeitet werden wollen. Man kann auch mal bei einem Gastrogroßhändler arbeiten und so erfahren, was Gastronomen wirklich wollen.

Verlockendes Angebot

Klingt doch interessant, oder? Auch und vor allem für einen jungen Menschen, der gerade in den Beruf einsteigt. Zusätzlich bekommt der junge Mensch das auch noch honoriert: mit einer Geldzahlung oder einem Bonus, auf alle Fälle einer Bescheinigung. Dazu kommen gemeinsame Ausflüge, gerne auch ins Ausland. 

Auch für Betriebe, wo dieser junge Mensch vielleicht mal arbeiten wird, lohnt sich das. Der Lehrling hat dann eben nicht nur eine klassische österreichische Kochausbildung mit viel Schnitzelklopfen durchlaufen, sondern weiß auch, wie man Sushis rollt oder was der Unterschied zwischen einem Flanksteak und einem Tafelspitz ist. Und hat schon mal den einen oder anderen Flat White aus dem Siebträger geholt.
Noch dazu verspricht Brunner-Strobl, dass sie diese Lehrlinge in der „Premiumlehre“ persönlich begleitet. Dass man gemeinsame Ausflüge macht – auch ins Ausland zu einem Pizzaiolo nach Neapel oder nach Israel zu einem Falafelmeister.

Paradigmenwechsel

Den Charme dieser Idee hat auch der Obmann der Wiener Kaffeesieder Berndt Querfeld erkannt. Gemeinsam mit Wolfgang Binder, dem Geschäftsführer der Kaffeesieder, unterstützen sie die Aktion „Premiumlehre“. Querfeld spricht gar von einem „Paradigmenwechsel“. Weil man so die starre österreichische Ausbildungslandschaft umgehen kann. Lehrbetrieb darf ja nur sein, wer die klassische österreichische Küche kocht. Also fallen alle Ethnolokale durch den Raster. Querfeld hofft so auch die Wiener Lehrlinge und deren Lehrbetriebe dazu zu animieren, doch wieder verstärkt bei den Lehrlingsskills mitzumachen: österreichweite Lehrlingswettbewerbe, die auch international ausgetragen werden. Da machen in den letzten Jahren auffällig wenige Wiener mit. Die Preise heimsen immer Lehrlinge aus den Bundesländern ein.

Monika Brunner-Strobl hofft so die Lehre interessanter und abwechslungsreicher zu machen und einem vorzeitigen Abbruch der Lehre entgegenzuwirken. Leider gibt es in der Gastronomie und Hotellerie immer noch viele Lehrabbrüche. Was auch an den veralteten Lehrplänen in der Ausbildung liegen kann. Die zu ändern ist ein jahrelanger Prozess. Wolfgang Binder betont: „Wir müssen selbst und besser ausbilden – sonst wächst das Mitarbeiterproblem noch weiter!“ Da könnte die Premiumlehre ein guter Einstieg sein für motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zukunft.

Castings laufen

Mittlerweile haben die ersten Castings stattgefunden – und werden bis in den Herbst/Winter weiter fortgesetzt. Monika Brunner-Strobl schwärmt von den Anwärtern: „Das sind durch die Bank hoch motivierte junge Leute, die Lust auf den Job haben und die Möglichkeiten der Premiumlehre erkannt haben. Die wissen schon ziemlich genau, was sie wollen: Barkeeper werden zum Beispiel. Das Geld spielt nur eine untergeordnete Rolle.“ Die meisten sind im ersten Lehrjahr, manche im zweiten. Grundsätzlich kann man jederzeit einsteigen. 

Auch die Liste der Partnerbetriebe wird immer länger. Neben klassischen Kaffeehäusern wie Sluka, Central oder Landtmann sind da auch Das Bootshaus, der Schneckenzüchter Gugumuck, ein Kräuterbauer, Del Fabro Kolarik, Donhauser Catering, ein veganes Restaurant, der Pastetenproduzent Hink, einige innovative Hotels wie Das Gilbert oder das 25th Hours, Julius Meinl, das Mochi, die Ottakringer Brauerei, Thum Schinken, Wiesbauer Gourmet und sogar ein Olivenbauer in Griechenland vertreten.

Info

Auf der Homepage www.premiumlehre.at kann man sich für ein Casting anmelden.