Inflation
So bändigen wir das Inflations-Monster
Von den Gesamtaufwendungen, die ein Gastronomiebetrieb zu tätigen hat, entfallen, je nach Betriebstyp, 25 bis 35 Prozent der Aufwendungen auf den Wareneinsatz. Nur die Personalkosten machen einen noch größeren Brocken in der Kalkulation aus.
Um der Inflation ein Schnippchen zu schlagen, ist die Erschließung der günstigsten Einkaufsquellen daher eine Strategie, der sich in dieser prekären Situation kein kaufmännisch denkender Gastwirt, Hotelier, Cafetier oder Manager einer Fastfood-Kette verschließen kann. Im Vorfeld der „Alles für den Gast“-Messe, die von 5. bis 9. November in Salzburg über die Bühne gehen wird, haben daher alle namhaften Gastro-Großhändler spezielle Inflations-Dämpfungs-Pakete geschnürt, die dazu dienen sollen, bisherige Kunden bei der Stange zu halten und neue von der Konkurrenz „loszueisen“.
Preiswettbewerb
Gestärkt durch die Übernahme von sieben AGM-Betrieben, startet Metro Österreich mit breiter Brust seine herbstliche Preisoffensive. So erklärte CEO Xavier Plotitza auf Anfrage der ÖGZ: „Metro bietet seinen Kunden eine breite Palette von Aktionen und Möglichkeiten, um den aktuellen Preisveränderungen entgegenzuwirken. Dazu gehört unser umfangreiches Metro-Marken-Portfolio, das von Preiseinstiegs- bis hin zu Bio-/Premium-Sortimenten reicht. Unsere Gastronomiekunden profitieren auch von unseren Großmengenpreisen, den Bundle-Aktionen, den sogenannten Viel-Spar-Tagen, attraktiven Werbepreisen und mengenbedingten Kundensonderpreisen. Eine bessere Planbarkeit für unsere Kunden aus der Gastronomie schaffen wir durch eine Preisgarantie auf 120 Artikel, die wir mit Blick auf die Inflationswelle eingeführt haben.“
Eine Schlüsselrolle im Beschaffungsmanagement zahlreicher Metro-Mitbewerber im Gastro-GH kommt dem Top Team Zentraleinkauf mit Sitz in Traun zu. Geschäftsführer Manuel Hofer und sein Team führen im Auftrag der Coop-Schweiz-Tochter Transgourmet Konditionsverhandlungen mit den Lieferanten, erbringen diese Dienstleistung aber auch für die mittelständische Großhändler-Vereinigung Eurogast. Beide sehen sich als Nutznießer der AGM-Filetierung. Eurogast gewann die fünf Abholmärkte samt Zustellservice der Firma Alpin Gastro (früher AGM Zell am See) als neues Mitglied, außerdem konnte Eurogast-Mitglied Grissemann aus Zams die Übernahme des AGM Bludenz bereits finalisieren. Transgourmet hat seitens der Kartellbehörde bereits die fixe Zusage zur Übernahme des AGM Klagenfurt.
Ende August startete Top Team mit der Initiative, Preiserhöhungen seitens der Industrie „exakt unter die Lupe“ zu nehmen. Man verwehrt sich nicht generell gegen Preiserhöhungen der Industrie. Jene, die beispielsweise anhand von Indizes im Bereich Rohstoffe-, Energie- oder Personalkosten klar nachvollziehbar sind, werden natürlich akzeptiert. Inflations-Trittbrettfahrern hingegen will man die kalte Schulter zeigen. „Es ist unsere Pflicht, genau darauf zu achten, keine überzogenen Preiserhöhungen durchzuwinken, denn diese schaden der Gastronomie immens.“
Hofer zog am Rande des alljährlich stattfindenden „Markant-Tages“ im Palais Ferstel für die ÖGZ eine erste Zwischenbilanz: „Da muss man stark differenzieren. Viele österreichische Produzenten legen ein faires Verhalten an den Tag, manche internationale Konzerne sehen das anders.“ Anhand der Preisentwicklung bei den Eigenmarken, die von Lohnproduzenten hergestellt werden, könne man recht genau ermessen, welcher Preisanstieg bei den Herstellermarken nachvollziehbar sei, erklärte Hofer.
Kalkulieren, kalkulieren, kalkulieren
Lieferanten werden von Top Team aufgefordert, geplante Preiserhöhungen mindestens acht Wochen im Voraus bekannt zu geben. „Das versetzt unsere Mitglieder in die Lage, ihrerseits die neuen Preise zu kalkulieren, ihre Kunden frühzeitig zu informieren und nach Alternativprodukten, beispielsweise im Eigenmarken-Bereich, Ausschau zu halten.“ Dabei ist festzuhalten, dass jeder Großhändler seine individuelle Eigenmarken-Strategie fährt, Top Team verhandelt im Rahmen exakter Vorgaben des jeweiligen Händlers.
Hofer beklagt, dass bei den Lebensmittel-Lieferketten die Warenverfügbarkeit deutlich zurückgegangen ist. „Sie liegt derzeit auf einem Tiefststand von ca. 91 Prozent.“ Besonders häufig sind diese Nullbestände bei international gehandelten Grundnahrungsmitteln des Trockensortiments, aber auch im Frischwarenbereich bei Fleisch festzustellen. „Auch in solchen Fällen ist es unsere Aufgabe, nach Alternativen Ausschau zu halten.“ Kontrakte für Eigenmarken-Lieferungen zu fixen Preisen werden für die Bezugsmenge eines Jahres oder zumindest eines Halbjahres abgeschlossen. Auch das bringt erhöhte Planungssicherheit, wovon die Gastro-Großhändler und ihre Kunden profitieren.
Wie soll man jetzt Speisen und Getränke kalkulieren?
Für Helmut Obergantschnig, Experte im Gastronomie-Marketing, sollte die Branche den Inflationsschub zum Anlass nehmen, die Kalkulation, sprich die Preisgestaltung des gastronomischen Angebots, von Grund auf zu überdenken. Er sagt: „Durch die Bank werden in der klassischen Gastronomie die Speisen zu billig, die Getränke zu teuer angeboten.“ Daher lautet sein Rezept vor dem Hintergrund der aktuellen Preisdebatte: „Die Menüpreise moderat anheben, weil die meisten Gäste inzwischen gelernt haben, dass die Inflationswelle zwangsläufig ihren Niederschlag in höheren Preisen für das Schnitzel und den Tafelspitz finden muss. Im Gegenzug könnte eine Verbilligung der Getränke dazu beitragen, die Gästefrequenz in diesen stürmischen Zeiten zu stabilisieren.“ Weg von Prozentaufschlägen, hin zu einer Deckungsbetragsrechnung sei, so der studierte Betriebswirt, jetzt angesagt. „Es geht darum, das Prinzip der Kostenwahrheit in der Kalkulation endlich umzusetzen!“ Diese Empfehlung gilt ganz besonders für die Preisgestaltung des Weinangebots. Auf diese Weise werde dem Gast die Möglichkeit geboten, heimische Spitzenweine zu leistbaren Preisen kennenzulernen und zu genießen.
Die Preise runter
Besonders eng ist traditionell die Warenbeschaffungs-Kooperation zwischen Top Team und Transgourmet Österreich, sind doch beide Firmen aus dem ehemaligen Pfeiffer-Handels-Imperium hervorgegangen. Dieser Schulterschluss kommt auch in der Stellungnahme von Transgourmet-Geschäftsführer Thomas Panholzer zum Ausdruck: „Es ist unsere Verpflichtung, die Preise für die krisengebeutelte Gastronomie leistbar zu halten“, betont er. Sein Credo: „Die aktuelle Krise darf nicht zur Steigerung der Marge genutzt werden“. Und verweist auf die Preiswächter-Funktion von Top Team und das umfangreiche Transgourmet-Eigenmarken-Programm, das alle Preis-Leistungs-Stufen abdeckt. „Darüber hinaus sind wir stets auf der Suche nach günstigeren Alternativartikeln und werden diese künftig vermehrt anbieten.“ Dazu ein Tipp für alle, die auf die Transgourmet-„Aktionstage“ abfahren: Diese finden heuer erstmals auch im November statt. Panholzer: „Wer wirklich sparen möchte, der kommt am 17. und 18. November zu uns. Unser Angebot: minus zehn Prozent auf wirklich alles – auch auf Aktionsartikel.“
Aufgrund der immensen Preissteigerungen sei – so Panholzer – die heimische Gastronomie und Hotellerie massiv in Bedrängnis bekommen. „Nach Jahren der Pandemie und Schließungen ist kein Puffer mehr vorhanden.“ Und: „Wir müssen jetzt handeln, wenn wir auch künftig die Vielfalt an gastronomischer Kultur vorfinden wollen.“ Klar sei nämlich auch, dass die willkürlichen Preissteigerungen nicht nur die Gastronomen (be)treffen: „Die laufenden Kostenerhöhungen werden an die Gäste weitergegeben werden müssen. Und irgendwann wird der Wirthausbesuch für viele unleistbar.“ Anmerkung: Wenn nicht die gesamte Lieferkette dagegen einschreitet.
Schwere Zeiten, neue Kunden
Kröswang-Geschäftsführer Manfred Kröswang sieht sich in der momentanen Situation auf der Gewinnerseite – Stichwort „Neukunden“: „Kröswang-Kunden wissen generell, dass sie sehr preiswert einkaufen. Deswegen haben wir wohl noch nie so viele Neukunden gewonnen wie in diesem Jahr.“ Neben Aktionen spielen aber auch die beliebten Kröswang-Eigenmarken in der derzeitigen Situation eine wichtige Rolle: „Um unsere Gastronomen noch weiter zu unterstützen, vereinbaren wir mit der Industrie gerade jetzt scharfe Aktionen, die wir in unserem 14-tägigen Aktionsplan an unsere Kunden weitergeben. Zusätzlich empfehle ich jedem Gastronomen, besonders jetzt unsere Eigenmarken zu testen. Diese sind qualitativ mindestens gleichwertig zu Markenprodukten, preislich aber um ein Vielfaches günstiger.“
Familienzuwachs
Die heuer von zwölf auf 18 Standorte emporgekletterte Eurogast-Verbundgruppe mittelständischer Familienunternehmen peilt für 2022 einen Umsatz von 500 Millionen Euro an. Und schließt damit in puncto Gastro-GH-Marktanteil zu Transgourmet (Jahresumsatz 2021: 492 Mio. Euro ) auf. Alexander H. Kiennast ist zweifacher Geschäftsführer. Einmal im Handelshaus der Kiennast-Dynastie mit Sitz in Gars am Kamp, zugleich aber übt er diese Funktion in der Eurogast-Zentrale aus. Dass Eurogast und Transgourmet, obwohl Mitbewerber im Wettlauf um die Gastronomie-Kundschaft, sich der Dienste des Top-Team-Zentraleinkaufs bedienen, mag manchen Lieferanten irritieren, Kiennast sieht das gelassen: „Im Vertrieb gehen wir strikt getrennte Wege. Gerade im Kampf gegen die Inflation aber hat sich die Bündelung des Einkaufs über Top Team voll bewährt.“
Typisch für den einzelnen Eurogast-Großhändler ist das Bekenntnis zu Regionalität und Individualität. Besonders eng ist daher die Zusammenarbeit mit zahlreichen regionalen Lieferanten. Bei der Kundenbetreuung steht für Kiennast zielgruppenspezifisches Mikromarketing auf der Agenda. „Wir analysieren die Warenkörbe, also die Einkaufsmuster der einzelnen Gastronomie-Betriebstypen, bieten sie zu Sonderpreisen an und sorgen für eine zeitgenaue Zustellung.“ Auf der Höhe der Zeit ist der Digitalisierungsgrad im Warenverkehr: „Fast 50 Prozent der Bestellungen unserer Kunden erreichen uns bereits online über unseren Web-Shop oder per Handy-App.“
Highend-Convenience-Sortiment
Klingt geheimnisvoll, könnte aber dazu beitragen, in den Küchen von Wirtshäusern und Restaurants spürbare Kostensenkungsimpulse auszulösen: Die Firmengruppe Kastner bastelt zurzeit an der Entwicklung eines Sortiments von Highend-Convenience-Produkten, die, umgewandelt in fertige Gerichte, den Gourmet-Ansprüchen „Schmeckt wie selbst gemacht“ gerecht werden. Diese Menü-Komponenten sollen dazu beitragen, die Speisen-Zubereitung zu rationalisieren und damit den Engpass bei qualifiziertem Personal zu mildern. Firmenchef Christof Kastner ist überzeugt: „Die größten Reserven in der Kosteneinsparung und damit in der Inflationsbekämpfung liegen für die Gastronomie weniger im Einkauf als vielmehr bei der Produktion der Speisen in der Küche.“ Ein Erfolgsrezept, das die großen Fastfood-Ketten längst perfektioniert haben, könnte so auf die individuelle Wirtshausküche übertragen werden. Vorausgesetzt, es finden sich regionale Feinkost-Manufakturen, die diese Premium-Convenience-Produkte serienmäßig herstellen.
Strategie zur Abwehr der Teuerungswelle
McDonald’s-Unternehmenssprecher Wilhelm Baldia: „Auch wir spüren den steigenden Preisdruck. Von Rohstoffpreisen über Energiekosten bis hin zu Verpackungskosten. Wir können und wollen diese Preissteigerungen nicht eins zu eins an den Gast weitergeben. Dennoch sind Preisanpassungen möglich und liegen im Ermessen der einzelnen Franchisenehmer*innen, die ihre Preise selbstständig festsetzen. Aktuelle Preisanstiege bei McDonald’s liegen unter dem durchschnittlichen Preisanstieg im Warenkorb. Für uns ist es wichtig, dass wir unseren Gästen weiterhin ein breites Angebot in höchster Qualität mit unterschiedlichen Produkten in Preisklassen für jede Geldbörse anbieten können.
Wir setzen seit Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen, um Energie und Ressourcen zu sparen. So haben wir seit 2005 den Energieverbrauch pro Gast bereits mehr als halbiert. Wir setzen in den Restaurants auf ein treffsicheres Energie-Managementsystem, das die bestmöglichen Energieverbrauchseinsparungen sicherstellt. Um unsere Energieeffizienz weiter zu steigern und damit Ressourcen zu schonen und Kosten zu sparen, haben wir letztes Jahr für unsere Restaurants neue Umwelt- und Energiestandards festgelegt. So werden alle neu eröffneten Standorte mit Photovoltaik-Anlage, Bio-Shredder, Altöl-Abpumpanlage für die Erzeugung von Biodiesel sowie einem nachhaltigen Heizsystem ausgestattet.“
Eigenmarken
Regionalität ist auch beim Handelshaus Wedl in Zeiten wie diesen ein großes Thema: „Wir empfehlen beim Einkauf einen verstärkten Fokus auf heimische Erzeugnisse und bieten diese in enstsprechender Form an. Und natürlich gibt es auch bei Wedl Eigenmarken im Bereich Preiseinstieg sowie im mittleren Preissegment wie beispielsweise die Intergastmarke ‚Cuisine Noblesse‘“, sagt Lorenz Wedl gegenüber der ÖGZ.
Hogast poolt Strom-Einkauf
„Wir haben einen Strompool eingerichtet und können damit unseren Mitgliedern aus Hotellerie und Gastronomie eine sichere Energieversorgung zu möglichst günstigen Tarifen bieten“, erklärt Dietmar Winkler, Hogast-Bereichsleiter für Marketing und Kommunikation. Ein Großteil der rund 3.200 Mitglieder zählenden Einkaufsgenossenschaft macht mittlerweile von diesem Service Gebrauch. „Mit diesem Pool bündelt Hogast zirka ein Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Österreich, damit sind wir für die Stromanbieter ein gewichtiger Kunde“, betont Winkler. Die Verträge mit Stromlieferanten sind teils mittelfristig, teils langfristig. Die Eindämmung der Stromkosten ist vor allem für die Hotellerie ein vorrangiges Anliegen. Sie benötigt den Strom nicht nur für den Gastronomiebetrieb, sondern auch für die Beheizung der stark nachgefragten Wellness-Einrichtungen wie Schwimmbäder und Saunen sowie der Gästezimmer in der Wintersaison.
Die Hogast-Genossenschaft, 1976 gegründet, erreichte im Wirtschaftsjahr 2020/2021 einen Umsatz von 414,7 Millionen Euro. Ihre Hauptfunktion liegt in der Bündelung der Einkaufsvolumina, von Lebensmitteln und Getränken über Verbrauchs- und Investitionsgüter bis hin zum erwähnten Gruppeneinkauf von Energie, aber auch von Versicherungen und den damit verbundenen Konditionsverhandlungen mit den Anbietern. Auf dem Gebiet der Digitalisierung kann die Gruppe mit der lieferantenübergreifenden Online-Bestellplattform myHOGAST aufwarten. Im Gegensatz zu den Gastro-Großhändlern unterhält die Hogast keine eigene Logistik, sie bietet auch kein Eigenmarken-Programm an.
Energiespar-Initiative
Zurück zur Bewältigung des Energiekosten-Desasters: Metro hat für ihre Kunden eine Energiespar-Beratung ins Leben gerufen. Plotitza: „Als Unternehmen sind wir aufgrund unserer großen Verkaufsflächen und des massiven Kühlbedarfs unserer Produkte mit den steigenden Preisen bei Strom und Gas in besonderem Maße konfrontiert. Unsere Initiative ‚Gemeinsam an morgen denken‘ liefert unseren Kunden wertvolle Energiespar-Tipps.“ Dafür stellt die Metro der Gastronomie auch Flyer, Plakate und Sticker zur Verfügung. Bei den Treibstoffkosten können die Kunden sparen, wenn sie bei Metro tanken und dabei die Begünstigungen der OMV-Tankkarte in Anspruch nehmen.
Text: Hanspeter Madlberger