WEGE AUS DER KRISE

Wieso jetzt Resilienz gefragt ist

Management
07.04.2022

Von: Daniel Nutz
Sich auf Krisen einzustellen ist ein entscheidender Erfolgsfaktor von ­Unternehmen. Doch welche Themen werden entscheidend? Wir haben Inputs aus Trendforschung und der Praxis eingeholt.
Resilienz braucht die Tourismuswirtschaft.

Die Aussichten waren schon einmal besser – gelinde ausgedrückt. Zwei Jahre Pandemie und die geänderte geopolitische Lage hinterlassen ihre Spuren. 

Wie Tourismusforscher Peter Zellmann in seiner „Zukunftsstudie 2030“ erhoben hat, ist zuallererst die Stimmung im Hier und Jetzt von einer großen Unsicherheit geprägt, was die Zukunft betrifft. Die Österreicherinnen und Österreicher sehnen sich nach Sicherheit zurück, lassen sich die Ergebnisse zusammenfassen. Es herrscht eine gewisse Angst vor Inflation und davor, dass der Lebensstandard nicht mehr gehalten werden kann. 

Weniger pessimistisch blicken jene in die Zukunft, die sich mit Innovationen beschäftigen. So sieht etwa das größte deutschsprachige Trend- und Zukunftsforschungsinstitut „2bAhead“ technologische Innovationen auf uns zukommen, die unser Leben erleichtern, die es uns ermöglichen, unseren Gästen ihren Bedürfnissen entsprechendes, maßgeschneidertes Essen zu servieren und unsere Kinder vielleicht sogar unsterblich machen. Und dann gibt es noch die Marktforscher, die aufzeigen, dass wir alle wieder reisen, in Hotels übernachten und uns kulinarischen Genüssen hingeben wollen. Durchaus auch mit dem Ziel, dem Alltag für ein paar Tage oder ein paar Stunden zu entfliehen. Es gibt auch Grund, optimistisch zu sein. 

Der Anpassungsfähige  gewinnt

Zu den Optimisten zählt jedenfalls der Linzer Gastronom und Obmann der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer, Robert Seeber. „Jetzt ist Resilienz gefragt, wir müssen schauen, dass unsere Geschäftsmodelle auch in Zeiten von Corona funktionieren“, sagt er. An die Regierung hat er freilich eine ganze Liste an Forderungen, um das Funktionieren überhaupt erst zu ermöglichen. 
Doch was verbirgt sich denn überhaupt hinter dem sperrigen und akademischen Begriff der Resilienz – die Menschen und Unternehmen sich an Krisen anpassen lässt, um letztlich erfolgreich aus diesen herauszukommen? Um zu eruieren, wie diese Resilienz gestaltet sein muss, hat Seebers Team des Fachverbands in der Wirtschaftskammer Anfang April zu einem Zukunftssymposium ins Zillertal geladen. Der Leiter des „Zukunftsbüros“ aus Wien, Andreas Reiter, skizzierte dabei seine Erkenntnisse der Veränderung der touristischen Märkte.   

unberührte Natur wird zum Sehnsuchtsort. Auch um den Sorgen des Alltags zu entfliehen.
Die unberührte Natur wird zum Sehnsuchtsort. Und entsprechend zu einem limitierten Gut. 

1. Die Märkte

Was wir seit Beginn der Pandemie erleben, ist eine Asynchronität im Tourismus. Ein Beispiel: Einerseits feiern wir einen Rekordsommer, andererseits bekommt der Städtetourismus davon nichts ab. Man kann sich aufs Altbewährte also nicht mehr verlassen. Dies werde so weitergehen, prophezeit Reiter. Die Fernmärkte werden nach aktuellen Prognosen erst 2024 zurückkommen. Vor allem China, wo der Auslandstourismus komplett ausfiel, wird länger brauchen, um auf Vorkrisenniveau zu kommen. 

„Wir können hier von einem touristischen Long Covid sprechen“, so Reiter. Für die eigentlich schon wieder gut anspringenden amerikanischen Märkte heißt der große Unsicherheitsfaktor derzeit „Krieg in der Ukraine“. „Für Menschen in Amerika ist das ein Krieg in Europa, das bremst natürlich die Reisefreudigkeit für Europareisen“, so Reiter. Es gibt aber auch erbauende Indikatoren: Tagungen werden sich erholen, ebenso wie Events und Messen. Hier gibt es einen Umbruch: Hy­bride Formate sind ein Thema, zumindest als Brückenbauer. Bis zur Marktreife von komplett virtuellen Formen (Stichwort Metaverse) wird es jedenfalls noch dauern. Sich mit dem Thema zu beschäftigen ist aber jedenfalls empfehlenswert. 

Was ist Resilienz

Re|si|li|enz, die
Substantiv, [die]
Bedeutung: psychische 
Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträch-
tigung zu überstehen
Herkunft: zu lateinisch resilire = zurückspringen
Grammatik: die Resilienz; 
Genitiv: der Resilienz, 
Plural: die Resilienzen

2. Was Kunden wollen

Was bleibt von der Pandemie? Einiges, meint Professor Mike Peters, Leiter des Institutes für strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck. Das Bedürfnis nach Sicherheit werde zu einer zentralen Reiseentscheidung, meint er. Peters sieht ebenso Belege dafür, dass Nachhaltigkeit und Klimawandel die künftigen Reiseentscheidungen von breiten Gesellschaftsschichten beeinflussen. „Die Generation Greta wirkt sich auch auf die älteren Entscheider aus, weil die Jüngeren auf ihre Eltern Druck machen“, so Peters. Peters sieht einen touristischen Trend zu Nachhaltigkeit und Authentizität. Beim Reisen geht es stärker darum, eine Gegenwelt zum Alltag zu erfahren. Das Erfahren (im Sinne eines Erkenntnisgewinns) wird wichtiger als das reine Erleben. Was heißt das in der Praxis? Wenn der Gast zur Speise auf dem Teller die ganze Geschichte des Gerichts und die Herkunft der Produkte serviert bekommt, wäre das so ein Mehrwert. Hersteller können freilich auch in touristische Angebote miteingebunden werden. 

Klarerweise hat auch der Zugang zur Natur seine Grenzen. Wer Authentizität will, muss auch mehr dafür bezahlen (Lesen Sie hier den Appell von Günter Exel). Touristische Erlebnisse wie Reisen oder Kulinarik werden teurer, ist Forscher Andreas Reiter überzeugt. Der limitierte Zugang zu gewissen Sehenswürdigkeiten, Kulturveranstaltungen, ja sogar zu Theatern und Lokalen wurde in Covid-Zeiten erlernt. Für Destinationen wird die geschickte Besuchersteuerung ein Thema. Wien ist hier wie etwa auch Amsterdam ein europäisches Musterbeispiel. Die Natur ist seit dem 19. Jahrhundert der Sehnsuchtsort der Menschen. In Zeiten von einer Gesundheits- und der Klimakrise wird dies noch stärker. 

Natürlich kann in einer Welt, in der Menschen Angst haben, dass ihnen weniger zum Leben bleibt, nicht alles teurer werden. Die Angebotspyramide wird so zu einer Art Sanduhrglas. Sprich, die Angebote werden sich in eine günstige und eine sehr hochpreisige Schiene entwickeln. Ob man sich im exklusiven Segment oder über den billigsten Preis behaupten will, liegt in der Entscheidung jedes Unternehmens.    

3. Digitalisierung nicht ­verpassen

Die Segmentierung des Angebots ist die Folge. Die bislang noch nicht angesprochene Digitalisierung ist ein zentraler Zukunfts­treiber und wird, nicht nur, aber sehr stark im Niedrigpreissegment eine Rolle spielen und dort optimale und wettbewerbsfähige Angebote schaffen können. Da geht es um Self-Service und Automatisierung. Vom Check-in im Hotel bis zur Zubereitung der (vorgekochten) Speisen im Restaurant. Die

Digitalisierungsstrategien bleiben also eine der größten und dringlichsten Herausforderungen für die Unternehmen. Gerade der familiengeführte klein- und mittelständische Bereich habe hier noch Nachholbedarf.  Doch auch die exklusive Angebote wie Hide-aways, der individuelle Zugang zur Natur usw. nützt die Vorteile der Digitalisierung. 

Wir können hier von einem touristischen Long Covid sprechen.

Andreas Reiter

4. Personal als Individuum

Leider nicht weniger ist in der Pandemie die Herausforderung am Arbeitsmarkt geworden. Schlechte Nachricht: An der Tatsache, dass wenige Fachkräfte vorhanden sein werden, wird sich auch kaum etwas ändern. Die gute Nachricht: Es gibt gerade im Tourismus noch viel Potenzial – erfolgreiches Employer-Branding –, das nicht ausgenützt wird. Das Ziel ist klar: Berufe in Gastronomie und Hotellerie müssen wieder attraktiver werden. Ein Musterbeispiel hierfür ist die deutsche Feriendestination Sylt. Dort wirbt die Region gezielt nach touristischen Arbeitsplätzen, anstatt dies jedem einzelnen Unternehmen zu überlassen – selbst Tischler*innen und Bäcker*innen fallen darunter. Die Idee: Eigentlich ist die ganze Insel ein Ökosystem, wo man das Branchendenken überwinden muss. Auch in Österreich gibt es schon Beispiele, wo die Destinationen Employer-Branding, also Werbung für potenzielle Arbeitskräfte, betreiben. 
Überhaupt ist laut dem Wiener Trendforscher Andreas Reiter das Thema Kollaboration, also die Zusammenarbeit, zentral, um künftig erfolgreich zu sein. 

Gemeinsam ist man stärker – und kommt auch auf mehr Ideen. Diese sind beim Thema Mitarbeitende gefragter denn je. Alle reden von der Fünf- oder der Vier-Tage-Woche, doch das geht an der Aufgabenstellung vorbei. Ein Betrieb im Salzburger Land zeigt, wie es geht, und bietet etwa Angebote für unterschiedliche Typen an: Der „Moneymaker“ arbeitet viel, um viel Geld zu verdienen. Der Typ „Work-­Life-Balance“ bekommt aber ein entsprechend anderes, individuelles Angebot. Im oberösterreichischen Salzkammergut wird in einer Kooperative aus Hotels erarbeitet, wie individuelle Aufgabenverteilung durch die Blockchain-Technologie gelingen kann.

Auch wenn derzeit viele mit einem leicht skeptischen Blick auf die Herausforderungen in der Zukunft blicken: Es gibt neben Hoffnung auch Chancen und Wege!