ÖGZ Porträt

Altes neu denken

Architektur
13.07.2022

Von: Daniel Nutz
Was muss Architektur leisten – und welche Verantwortung gibt es gegenüber dem Historischen? Erich Bernard und Philipp Patzel von BWM Architekten ­zerbrechen sich darüber den Kopf und wollen – etwa im Herzen von Bad Gastein – Hospitality und F&B neu ­erfinden.
Mastermind und Architekt Erich Bernard (r.) und Hospitality-Manager Philipp Patzel.
Mastermind und Architekt Erich Bernard (r.) und Hospitality-Manager Philipp Patzel. 

Hinter einer mehr als 130 Jahre alten Gründerzeitfassade am Wiener Margaretenplatz entsteht die Zukunft. Wer durch die Fassade des späthistoristischen Zinshauskomplexes eintritt, findet sich in einem der belebtesten Architekturbüros Österreichs wieder. Etwa 70 Leute zerbrechen sich hier den Kopf über findige Ideen im Interieur Design und Hochbau. Ganz hinten sitzt Mastermind ­Erich Bernard an einem langen Besprechungstisch. Der 1965 geborene Grazer gilt hierzulande als erste Wahl, wenn es um den architektonischen Umgang mit alter, möglicherweise denkmalgeschützter Bausubstanz geht. Einige Referenzen dieser Tätigkeit sind in Bildern an der Wand aufkaschiert. 

BWM Architekten machten sich etwa mit Arbeiten für österreichische Traditionshäuser wie Sacher oder Restaurant Figlmüller einen Namen. Ebenso aber auch mit Projekten für Hotelketten wie Radisson oder Moxy von Marriott. Aktuell im Bau befindet sich das Hotel Ensemble in Bad Gastein. Jener Ort im Zentrum des Kur- und Ferienortes, welcher durch sein jahrzehntelanges Brachliegen zu unrühmlicher Bekanntheit und letztlich zum Politikum wurde. Nach dem das Land Salzburg als Zwischenfinanzier einsprang, setzt BWM Architekten für die Münchner Hirmer-Gruppe die Revitalisierung des historisch bedeutenden Hotels Hotel Straubinger, Badeschloss und Alte Post um. Bis zum Sommer 2023 soll das neue „Ensemble“ fertig sein. 

Nachdem die Sommerfrische verschwand und die unglückliche Eigentümersituation im Stadtzentrum zum Absterben des Ortes führte, sei in Bad Gastein ein ganz individueller morbider Charme entstanden, sagt Bernard. Das Miramonte oder Regina hätten diesen Bode bereits für eine coole Hotel-Szene in Bad Gastein aufbereitet. Die Idee hinter dem eigenen Projekt: Das Hotel Ensemble soll diesen Gedanken und eingeschlagenen Weg fortführen. Bernard nimmt einen Schluck aus seiner Teetasse und sagt: „Herausforderungen gibt es bei so einem Projekt viele.“ Da ist schlechte Bausubstanz. Im Gebäude hat sich der Holzschwamm breit gemacht – und dann ist da natürlich der Denkmalschutz. Doch genau dieses Arbeiten mit den Schichten der Vergangenheit ist die Stärke von Bernard und seinem Team von BWM Architekten. 

Es gibt nichts ­Uninteressantes

An einem bestehenden Gebäude zu arbeiten sei darum interessant, weil dort schon einmal Energie reingeflossen sei, sagt Bernard. Da ist ein Wert da, der auch im Sinne der Nachhaltigkeit genützt werden soll, meint er. Mit dieser Einstellung ist man am Puls der Zeit. Hinsichtlich des Klimaschutzes scheint dieser nachhaltige Weg einer, den man beim Bauen öfter beschreiten wird. 

Dass mit dem Alten zu arbeiten das Gegenteil von langweilig ist, zeigen die umgesetzten Projekte immer wieder, „Ich finde es spannend, sich mit den Ideen eines anderen Architekten auseinanderzusetzen“, sagt Bernard, der an der TU Graz und der Hochschule für angewandte Kunst in Wien studierte und heute neben Wien auch in Triest lebt. Sein Credo: Es gibt nichts Hässliches, man muss nur lange genug nachdenken. Man kann aus allem etwas Spannendes erzeugen. In diesem Sinne ist auch der Umgang mit dem Denkmalamt zu verstehen. Das sei ein andauernder Dialog, sagt Bernard, es gehe auch darum, nicht das Unnütze zu schützen. Ein Ort darf ja keine tote Hülle sein, er muss leben! 

Und dann ist da die Auseinandersetzung mit der Geschichte eines Ortes. Die Story ist wichtig, sie muss eben authentisch und nicht erfunden sein. 

Artefakte aus der Vergangenheit in die neue Architektur zu integrieren ist eine Spezialität von BWM. Im obrigen Bild anschaulich umgesetzt durch den Ausschnitt einer Stuckdecke aus der Entstehungszeit des Salons im Hotel Sacher.
Artefakte aus der Vergangenheit in die neue Architektur zu integrieren ist eine Spezialität von BWM. Im obrigen Bild anschaulich umgesetzt durch den Ausschnitt einer Stuckdecke aus der Entstehungszeit des Salons im Hotel Sacher. 

Wichtig sei zunächst, mit Neugier und offenen Augen an ein Projekt zu gehen. Ein gutes Beispiel ist der Salon Sacher vis-à-vis der Wiener Staatsoper. Unter dem Plafond fand man eine über Jahrzehnte in Vergessenheit geratenen Holzstuckdecke, deren Teilausschnitt ähnlich wie ein Museumsstück nun in fünf Metern Höhe den ganzen Raum optisch austoleriert. Der Historie des Ortes wurde mit dem Einsatz der Farben Schwarz und Koralle ganz im Stile der 1920er- und 1950er-Jahre Hand Tribut gezollt. 

Kommunikation zählt

Vorangegangen seien geschätzte 50 Treffen mit den Eigentümern, so Bernard. Dieses Miteinanderreden sei wichtig, um Projekte auf den Punkt zu bringen. Darum halte er auch wenig von Wettbewerben, so Bernard. „Unsere besten Projekte haben wir nicht nach Wettbewerben umgesetzt, sondern weil wir intensiv mit unseren Auftraggebern diskutiert haben“, sagt Bernard. Darum ist seit etwa mehr als einem Jahr auch der Praktiker Philipp Patzel, der zuletzt den Bereich Hospitality der Esterhazy Betriebe verantwortete, an Bord. 

Patzel kann sich in die Schuhe der Kunden aus der Hotellerie und Gastronomie stellen, er spricht ihre Sprache. Darum hat das Architekturbüro den Nicht-Architekten zum Head of Hospitality bei BWM Architekten gemacht. 
Nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein Ausbrechen aus Disziplinen aus alten Denkmustern notwendig ist. Selbiges gilt für die Funktionsweisen der Orte. Wir sehen, dass die Funktionsweisen von Hotel und Büro verschwimmen, sagt Patzel. 

Büros kämpfen bereits darum, wer nicht ins Homeoffice, sondern ins Büro kommt. Darum werden Elemente aus Hotels in die Büroplanung einbezogen und vice versa. Arbeiten im Hotel gewinnt an Bedeutung. „Wir wollen, dass sich ein Büro anfühlt wie ein Hotel. Und ein Hotel soll manchmal so funktional sein wie ein Büro“, so Patzel. 
Bei der Umsetzung solcher Vorhaben tritt BWM Architekten oft als Generalplaner auf, verantwortet also die Bereiche Hochbau und Innendesign aus einer Feder und setzt mit einem ausgewählten Netzwerk an Partnern Projekte bis ins letzte Detail um. „Wir sehen das Produkt als ein holistisches Projekt für Entwickler und Operator. Wir stellen das Orchester und die Schnittstellen“, verneint Patzel die Frage, ob das auch wo ein Nachteil sein könnte. 

Architekt Bernard sieht das Auftreten als Generalplaner durchaus in der am nähestmöglichen Umsetzung der architektonischen Idee. Doch welche Ideen, welchen Grundgedanken sollte Architektur überhaupt folgen – bei F&B, Hospitality und ganz allgemein? 

„Uns begeistert, wenn wir Leute zueinander bringen“, sagt Bernard. Er nennt das Social Design. Es sollen soziale Aspekte Eingang in die Architektur finden, welche die Gesellschaft beeinflussen. Es gehe um Interaktion, wie trifft man aufeinander und wie kommt man ins Gespräch? All das lasse sich durch Architektur beeinflussen. 
Es geht aber auch ums Individuum. Etwa um die Frage: Was kann ein Raum für den Einzelreisenden tun, der alleine sein will – oder eben Anschluss sucht? 

Ein Beispiel: der Community-­Table, also der gemeinsame Ess­tisch. „Will das wer in Österreich?“, lautete oft die Frage von Auftraggebern. Die Antwort ist nicht eindimensional. Einerseits haben Menschen an Orten wie Skihütten damit offensichtlich kein Problem. Und weiter lassen sich mit einigen Tricks Barrieren im Kopf auflösen und Distanzen im Gefühl schaffen. Wenn du auf die halbe Höhe gehst vom Tisch, erzeugt das ein Distanzgefühl.

Prinzipiell sind sich Bernard und Patzel einig: Die Corona-Pandemie hat nicht – wie oft missverstanden – dazu geführt, dass mehr Abstandswille herrscht. Es gibt vielmehr die Sehnsucht der Leute nach Nähe. Diese Sehnsucht soll gute ­Architektur stillen. 

BWM Architekten

Seit 2014 Geschäftsführer: Erich Bernard, András Klopfer, Daniela Walten, Markus Kaplan, Johann Moser Mitarbeiter: ca. 70 Schwerpunkte: Architektur, Interior-Design-Kultur, ­Hospitality Umgesetzte Projekte (Auswahl): 25hours, Hotel Gilbert, Mayer am Pfarrplatz, Sacher Eck und Salon Sacher, Figlmüller in der Bäckerstraße, der gute Fang von Hannah Neunteufel, Hotel am Konzerthaus

Branchen
Architektur