Positionierung

Tourismus: Die Alpen neu denken

Tourismus
12.12.2024

Die Branche kämpft mit steigenden Ansprüchen, einem harten internationalen Wettbewerb und veränderten Gästeerwartungen. Welche Destinationen setzen die Trends? Und wo sind Investitionen dringend nötig? Der „Alpine Destination Report 2025“ hat darauf die Antworten.
Alpen

Es ist kurz nach sechs, die ersten Sonnenstrahlen tauchen den Dachstein in goldenes Licht. Eine Hotelbetreiberin öffnet die schwere Eichentür ihres Familienbetriebs. „Wir leben vom Winter,“ sagt sie, während sie aus dem Fenster blickt. Doch dieser Winter ist anders: Der Buchungskalender ist voll, die Nachfrage stabil – und das nicht nur in der Wintersaison. Es ist das Ergebnis jahrelanger strategischer Arbeit, wie der „Alpine Destination Report“ zeigt. Denn Schladming-Dachstein zählt nicht nur zu den führenden Destinationen Österreichs, sondern auch zu den innovativsten.

Was zeichnet die Spitzenreiter aus?

Der „Alpine Destination Report 2025“ der Prodinger Tourismusberatung untersucht detailliert die Leistungen von 21 führenden Alpendestinationen in Österreich. Die Analyse basiert auf Daten der letzten zehn Jahre und beleuchtet dabei wirtschaftliche, touristische und infrastrukturelle Aspekte. Schladming-Dachstein, Zell am See-Kaprun und das Ötztal stechen besonders hervor – und das aus guten Gründen. 

1. Nachfrage und Bettenauslastung

Mit konstant hohen Besucherzahlen und stabiler Bettenauslastung dominieren diese drei Regionen. Schladming-Dachstein etwa konnte die Übernachtungszahlen in den letzten zehn Jahren um beeindruckende 33 Prozent steigern. Zell am See-Kaprun folgt dicht dahinter mit 21 Prozent. Diese Entwicklung zeigt, dass sich Investitionen in eine bessere Infrastruktur und innovative Angebote auszahlen. Doch auch die Größe der Regionen spielt eine Rolle: Mit ihrer umfangreichen Fläche und den zahlreichen Beherbergungsmöglichkeiten können sie eine größere Anzahl von Gästen aufnehmen.
Die hohe Nachfrage bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Regionen wie Achensee und Tux-Finkenberg, die eine der höchsten Bettenauslastungen im Land verzeichnen, müssen ihre Kapazitäten sorgsam managen, um die Qualität zu sichern und Überlastungen zu vermeiden.

2. Preisniveau: Hochwertige Angebote, hohe Erträge

In Österreichs Alpen haben sich einige Destinationen einen exklusiven Ruf erarbeitet – und dies spiegelt sich in den Preisen wider. Regionen wie Lech Zürs und St. Anton am Arlberg zählen zu den hochpreisigsten Gebieten des Landes. Mit einem Immobilienpreis von bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter und Skipässen, die fast 80 Euro pro Tag kosten, spricht diese Region vor allem zahlungskräftige Gäste an. Dieser Fokus auf Premium-Segmente erlaubt es den Destinationen, eine starke wirtschaftliche Performance zu erzielen. Auch der Umsatz pro Bett – ein zentraler Indikator – ist in diesen Regionen außergewöhnlich hoch.
Doch hohe Preise allein reichen nicht aus. Die Gäste sind anspruchsvoller geworden. Sie erwarten ein Rundum-Erlebnis, das Qualität, Nachhaltigkeit und Exklusivität verbindet. Die führenden Regionen erfüllen diese Erwartungen mit maßgeschneiderten Angeboten, vom Gourmet-Erlebnis auf der Hütte bis zur Luxus-Unterkunft mit Ski-in-Ski-out.

3. Saisonalität bleibt eine zentrale Herausforderung

Ein Blick auf die Statistiken zeigt: Trotz aller Fortschritte bleibt die Abhängigkeit vieler Regionen vom Wintergeschäft groß. In klassischen Wintersportdestinationen wie Paznaun-Ischgl und Stubai konzentriert sich die Nachfrage weiterhin stark auf die kalten Monate. Doch einige Regionen stechen positiv hervor: Zell am See-Kaprun, Schladming-Dachstein und Seefeld zeigen, wie man die Saisonalität ausgleichen kann. Sie setzen auf eine geschickte Kombination aus Sommer- und Winterangeboten, wie Wander- und Wellnesspaketen, Mountainbiking oder ganzjährigen Veranstaltungen.

Schlüssel zum Erfolg

Die führenden Destinationen Österreichs zeichnen sich nicht nur durch ihre wirtschaftliche Performance aus, sondern auch durch ihre Innovationskraft. Das Ötztal etwa, das im Gesamt-Ranking an erster Stelle steht, investiert massiv in nachhaltige Infrastruktur. Dazu zählen modernste Beschneiungsanlagen, die energieeffizient und wassersparend arbeiten, sowie umweltfreundliche Verkehrskonzepte.
Ebenso beeindruckend ist der Fokus auf digitale Lösungen. Viele Destinationen setzen mittlerweile auf Smart-Tourism-Technologien, die den Gästen ein nahtloses Erlebnis bieten: von der digitalen Skipass-Buchung über Echtzeit-Informationen zu Pistenbedingungen bis hin zu intelligenten Verkehrsleitsystemen, die Staus vermeiden.
Doch Nachhaltigkeit bedeutet mehr als Technologie. Man hat mittlerweile gelernt, dass man die lokale Bevölkerung mit einbinden muss. Nachhaltigkeitsstrategien, die sowohl ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigen, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Von der Förderung regionaler Produkte in der Gastronomie bis hin zu nachhaltigen Bauprojekten setzen die führenden Destinationen auf eine langfristige Perspektive.

Toruismus Report

Stadt und Land

Städte profitieren von einer stetigen Auslastung, die durch häufige Kurzaufenthalte gesichert wird. Ganz anders sieht es in vielen alpinen Regionen aus: Hier schwankt die Nachfrage stark, und die Gesamtauslastung bleibt über das Jahr hinweg begrenzt. Dazu kommt der wachsende Druck des Klimawandels, der vor allem niedrig gelegene Skigebiete mit immer kürzeren Wintersaisonen belastet. In dieser Situation werden Beschneiungssysteme und die Erweiterung von Skigebieten zu entscheidenden Hebeln, um die Attraktivität für Urlauber zu bewahren – und zugleich die Nachfrage nach Ferienimmobilien aufrechtzuerhalten. 
Für den Alpine Destination Report wurden insgesamt 21 bedeutende alpine Destinationen in Österreich analysiert, die eine internationale Wettbewerbsposition einnehmen und dennoch Potenziale für Verbesserungen aufweisen. Der Fokus lag hierbei auf den Bundesländern Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten und Vorarlberg, wo Regionen wie Kitzbühel, Saalbach Hinterglemm und Lech Zürs gezielt untersucht wurden. 

Vom Reden ins Tun Kommen

Der Report liefert nicht nur eine Momentaufnahme, sondern auch wertvolle Handlungsempfehlungen. Vor allem in drei Bereichen sehen die Autoren dringenden Handlungsbedarf: 

  • Ganzjahresangebote ausbauen: Destinationen, die ihre Nachfrage gleichmäßig über das Jahr verteilen können, reduzieren wirtschaftliche Schwankungen und schaffen stabilere Arbeitsplätze. Ideen wie Ganzjahres-Wellness, Outdoor-Erlebnisse und Kulturveranstaltungen könnten helfen, neue Zielgruppen anzusprechen.
  • Attraktivität und Infrastruktur stärken: Faktoren wie die Höhenlage der Skigebiete, Pistenkilometer und die Verfügbarkeit moderner Lifte bleiben entscheidend. Gleichzeitig müssen Destinationen in die Attraktivität ihrer Ortskerne investieren, um sowohl Gäste als auch Einheimische anzusprechen.
  • Internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern: Mit Investitionen in innovative Angebote und eine nachhaltige Positionierung kann Österreich seine Marktanteile verteidigen.