ÖGZ-Verkostung
Tequila & Mezcal: Der Kaiser von Mexiko ist zurück!
Man muss den USA nicht viel neidig sein, aber die Nähe zu Mexiko hat zumindest der Gastronomie einen entscheidenden Vorteil gebracht: Man verstand früh, dass die Agavenbrände in einer zusehend industrialisierten Getränke-Welt einen Rest von Romantik erhalten. Denn was in Europa lange imagebildend war, galt zwar dem Namen nach als Tequila, war technisch aber ein „mixto“. Bis zu 49 % des vergärbaren Zuckers stammte dabei nicht aus dem Herzen der Agave, sondern aus billigen Zuckerquellen wie Mais. „Industriesprit“ nennen das Kenner gerne despektierlich, doch sie lesen offenbar die Newsletter des „Consejo Regulador del Tequila“ nicht. Denn 2017 hat erstmals der reine Agaven-Tequila (durch den Zusatz „puro Agave“ oder „100 % de Agave“ am Etikett zu erkennen) mit knapp 151 Mio. Litern die „Mixtos“ mengenmäßig überflügelt. Das bedeutet, dass die Tage des gemischten Brandes aus Mexiko gezählt sind. Erstaunlicherweise – und hier ist den Einkäufern der heimischen Bars zu danken! – liegt der Anteil der „puro Agave“-Destillate mit knapp 60 % in den deutschsprachigen Ländern nirgends so hoch wie in Österreich. Knapp 46.000 Flaschen sind allerdings eine Menge, bei der Luft nach oben ist: Der Jahreskonsum der Schweiz lag bei 112.306 Flaschen.
Terroir beim Agaven-Brand
Was hierzulande auch zu entdecken bleibt, ist die Vielfalt, die sich aus den 400 Millionen Agaven Mexikos, dem einzigen Tequila-Erzeugerland, gewinnen lassen. Denn während für den Tequila – der auch räumlich auf fünf Bundesstaaten begrenzt wird – nur die Blaue oder Weber-Agave zulässig ist, kommen für den Mezcal 27 weitere Sorten (von 150 in Mexiko heimischen) infrage. Darunter fallen nicht nur rare, wildwachsende Sorten wie Tepextate oder Jabali, auch Unterschiede beim Boden, die an das Terroir von Weinen erinnern, sind wesentlich: Mezcal von der Küste schmeckt anders als einer aus heißen Hochlandgegenden. „Die chemische Zusammensetzung unterscheidet sich aufgrund des Charakters der Agaven und der Natur-Hefen beträchtlich“, fasst die Forscherin Araceli Minerva Vera Guzmán (Instituto Tecnológico der Brenner-Hochburg Oaxaca) zusammen. Nicht zuletzt deshalb hat sich die Mezcal-Produktion in den letzten Jahren vervierfacht. Die vier Millionen Liter Jahresproduktion decken aber nicht annähernd die Nachfrage.
Dass sich die Agavenbrände – zu Tequila und Mezcal kommt auch der noch wenig bekannte Raicilla – als Gegenmodell global erzeugter Destillate etablieren konnten, hängt ebenfalls mit dem Spargelgewächs zusammen. Es dauert zumindest acht Jahre, bis die kultivierten Pflanzen ihr Herz, die ananasförmige Piña, ausbilden. Botanisch ist dieser bis zu 100 Kilo schwere Teil der Nährstoffrucksack der einzigen Blüte, die die Agave in ihrem Leben ausbildet. Bei Wildformen kann es aber auch 20 Jahre (!) dauern, bis destilliert werden kann. Dann ergeben sich je nach Brenner und Herkunft vielschichtige Noten. Die zwischen Pfeffer und Chili angesiedelte Schärfe verleiht Klassikern der Bar wie der „Margarita“ die spezielle Würze.
Süßere Mezcals mit wenig Rauchnoten kommen mit ihrem Honig-Ton aber als Bourbon-Alternative, etwa in einem „Old Fashioned“, gut zur Geltung. Dass Österreich mit dem Habsburger Maximilian I. einst den Kaiser von Mexiko (nach dem auch eine Agaven-Art benannt wurde) stellte, sollte vielleicht auch zu heimischen Kreationen anregen. Welche Tequilas und Mezcals dafür prädestiniert sind, hat das ÖGZ-Kostquartett für Sie herausgefunden!
Das Verkost-Quartett
Mit ÖGZ-Autor Roland Graf verkosteten im „Café Mendez“ am Karlsplatz Alex Öhler, Lourdes Madurga (beide vom Mendez-Team) und Sommelière Sylvie Hütter. Auf dem Prüfstand standen die Frizzantes und vor allem die Agavenbrände Tequila und Mezcal.
Wie immer wurden alle Proben im Wiener Mexiko-Kulinarik-Hotspot am Karlsplatz verdeckt eingeschenkt und unabhängig von den Mitgliedern des Kost-Quartetts bewertet. Die Summe der individuellen Einschätzungen ergab die jeweiligen Kategoriensieger und somit die Träger des ÖGZ-Gütesiegels 2019 in Gold.