Wohin geht die Reise in der Hotellerie?
Schadenfreude ist die schönste Freude. Zumindest bei uns. Leider. Das verhindert, dass wir mehr mutige Unternehmer haben. Und das war eine der Thesen in der schwungvollen Keynote von Michael Widmann, Managing Partner von PKF Hotelexperts. Man habe in Europa Angst vor einem Makel, den man nicht mehr los werde. Mit Leuten, die scheitern, wolle niemand etwas zu tun haben. Das ist in anderen Ländern wie den USA anders. Da bewundert man die Stehaufmännchen.
„In der Hotellerie ist die Angst vor dem Scheitern besonders stark ausgeprägt“, sagt Widmann. Diese Angst manifestiere sich bei großen Hotelgruppen in den starren Brand-Standards. Weil man auf jeden Fall alles richtig machen wolle. Das führe dazu, dass die Bereitschaft, etwas außerhalb der Norm zu versuchen, zumindest in der Kettenhotellerie nur gering ausgeprägt sei. Gut für unabhängige Hotels: „Man wird nur Unternehmer, wenn man verrückt ist. Wenn man von Selbstzweifeln zerfressen wird, wird man besser Berater“, sagt der Berater Widmann. Zustimmendes Gelächter unter den anwesenden Beratern und Hoteliers.
Sein Appell: Öffentliche Bereiche des Hotels sollten einem Wandel unterliegen, eine unternehmerische Spielwiese sein. Hier könne man vieles ausprobieren, mutig sein. Konzepte für Hotels, die heute funktionieren, müssen in fünf Jahren nicht mehr funktionieren. Dazu ändern sich Trends zu schnell. Macht aber nichts. Hotels werden nicht mehr für die Ewigkeit gebaut.
Investmentmarkt
Es gibt viele allgemeine Trends, etwa jener zu Budgethotels oder zu mehr Lifestyle. Aber: „Es findet gerade ein gewaltiger Umbruch in der Investi-
tionslandschaft statt“, sagt Widmann. In seiner 28-jährigen Beratertätigkeit habe er so etwas noch nicht erlebt. So viele neue Kapazitäten, so viele Planungen und Bauvorhaben wie noch nie zuvor stünden gleichzeitig massiv gestiegenen Baukosten gegenüber. Baufirmen zu finden, die Projekte umsetzen, sei nicht einfach. Deren Auftragsbücher sind voll. „Das ist derzeit der limitierende Faktor.“
Gestiegene Baukosten
Ist die schwierige Suche nach einem geeigneten Standort gelungen, stehe man vor der Frage: „Wer baut das jetzt? Und wer baut es erschwinglich?“ Die Baukosten sind innerhalb von eineinhalb Jahren um rund 20 Prozent gestiegen, die Pachten ebenfalls. „Wir sind schon wieder an der Grenze dessen angelangt, was wirtschaftlich vertretbar ist“, sagt der Experte.
Wohnen statt Übernachten
Der echte Umbruch, die „Revolution“, sei aber das Zusammenwachsen von Wohnungs- und Hotelmarkt. Die beiden Bereiche waren juristisch, operativ und bautechnisch bisher getrennt. Das ändert sich gerade. Es gibt eine große Schnittmenge, was die Produkte angeht: Aparthotels, Microliving bzw. Microapartments (kleine standardisierte Apartments), Co-Living-Konzepte, Serviced Apartments, Longstay-Angebote, Grätzlhotels – also geclusterte Einheiten – und andere. Die Unterscheidbarkeit wird schwieriger. Es gibt Hotelplayer, die jetzt in den Bereich der Serviced Apartments vordringen bis hin zu Student-Accomodations oder Senior-Citizen-Residences.
Wie viel Zuwachs vertragen wir?
In Deutschland ist der Markt in Städten wie Hamburg oder München dabei zu überhitzen, dort wird bis zu 30 % des Bestandes in den kommenden Jahren zusätzlich gebaut. In Wien sind es „nur“ 11,9 %, berichtete Martin Schaffer von MRP Hotels am imh Jahresforum. Das sind rund 4.000 Zimmer mehr – und die könne Wien durchaus vertragen. Die ADR-Entwicklung der letzten Jahre sei positiv. Da sie vor allem im unteren Segment (ein bis drei Sterne) erfolge, wirke sie niedriger, als sie tatsächlich sei. Auch im hart umkämpften Vier-Sterne-Sektor stieg sie von 119 auf 128 Euro. Der Grund: „Wiener Hotels werden immer voller“, sagt Schaffner. 2006 war die Auslastung bei 70 %, heute sind es 77 %, und 2020 rechnet er mit 80 %. „Die Preise werden weiter steigen“, verspricht er. Ähnlich positive Entwicklungen prognostiziert er für Tirol und insbesondere Innsbruck. Beim gewaltigen Zuwachs in Graz ist er skeptischer, ob das wirklich abgesetzt werden kann.
Steigende Personalkosten
Die größte Herausforderung in der Hotellerie sei der Mitarbeitermangel. Der führe zu immer höheren Löhnen vor allem im Westen. Der Anteil der Personalkosten liege in manchem Hotel schon bei bis zu 45 Prozent.
Die Zinsfalle und der Investitionsdruck
Und alle fürchten sich vor steigenden Zinsen. Das könne angesichts der hohen Fremdkapitalquote in der Hotellerie in wenigen Jahren zu großen Problemen führen, sagt Berater Thomas Reisenzahn von Prodinger gegenüber der ÖGZ. Dennoch würden viele Hoteliers immer noch das verdiente Geld reinvestieren, weil es der Nachbar und Mitbewerber auch macht. Schlauer wäre es, die Eigenkapitalquote zu erhöhen.
Text: Alexander Grübling, Thomas Vierich
Renditeerwartungen in der Hotellerie
4–6 %
Institutionelle Investoren
3–5 %
Pensionsversicherer und Vorsorger
2–4 %
Stiftungen und Private