Plant Based

Die Zukunft auf dem Teller

Top-Artikel
26.09.2024

Von: Thomas Askan Vierich
Christine Schäfer arbeitet am Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz und forscht zu Veränderungen im Ernährungs- und Konsumverhalten. Zuletzt hat sie einen Bericht zum Thema „Novel Food“ veröffentlicht – basierend auf einer Umfrage. Die Ergebnisse sind eher ernüchternd.
Plant Based

ÖGZ: Frau Schäfer, bekommt man bei uns schon „Laborfleisch“?
Christine Schäfer: Es gibt in den USA (Bar Crenn), in Singapur (1880, Huber’s) und in Israel (The Chicken Kitchen) einige wenige Lokale, die das anbieten. In Israel ist gerade die Zulassung für kultiviertes Rindfleisch erfolgt. In den USA und in Asien hat Hühnerfleisch die regulatorische Hürde nehmen können. Bisher gibt es kultiviertes Fleisch nur in geringen Mengen und zu hohen Preisen. In Europa läuft noch der Zulassungsprozess.

Was halten Ihre Befragten von kultiviertem Fleisch?
Von denen hat das vermutlich noch keiner gegessen. Das ist auch eine große Limitation solcher Umfragen: Man muss die Menschen zu ihrer Meinung über Produkte befragen, die sie gar nicht kennen können, weil sie noch nicht verfügbar sind. Das erklärt auch zum Teil die überwiegende Ablehnung.

Wir haben unseren Lesern bei der ÖGZ mal Insekten zum Verkosten angeboten. Die Resonanz war überschaubar. Wie haben Ihre Befragten geantwortet?
Ähnlich ablehnend (siehe Grafik). Wir haben allerdings nur gefragt, ob sie verschiedene Novel Foods probieren würden. Wir haben nicht gefragt, warum sie es ablehnen. Das könnte zum Beispiel sein, weil sie es einfach nicht wollen, weil sie sich ekeln oder aus ideologischen Gründen.

Was hat sie an den Ergebnissen ihrer Umfrage am meisten überrascht?
Die generelle Ablehnung. Gegenüber Laborfleisch sind Männer, Menschen aus Städten oder jüngere Menschen noch am aufgeschlossensten. Doch die Mehrheit hat keinen Appetit auf Novel Foods. Sogar Algen bekamen nur von 39 Prozent Zuspruch.

Dabei lieben wir doch alle Maki! 
Die Leute wissen nicht wirklich, was sie essen. Wenn sie „Algen“ lesen, stellen sie sich vielleicht dieses glibberige, grüne Zeug aus dem Badesee vor. Und nicht leckere California Rolls.

Ist kultiviertes Fleisch wirklich eine gute Alternative, wenn man sich die Gesamtumweltkosten ansieht?
Die Hersteller sagen, dass die Umweltbilanz hinsichtlich Landnutzung, Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß besser ist. Andere Studien besagen, dass der CO2-Ausstoß sogar höher sein könnte als beim konventionell produzierten Fleisch. Weil die Bioreaktoren, in denen dieses Fleisch gezüchtet wird, viel Energie verbrauchen. Man hat dann zwar keine rülpsenden Kühe mehr. Dafür aber diese Stromfresser.

GDI
Insekten zum Frühstück? Bei Algen oder THC-haltigen Lebensmitteln sind Konsumenten weniger wählerisch.

Gastronomie als wichtiger Treiber

Wer könnte der Treiber für eine Marktdurchsetzung von Novel Food sein?
Ein wichtiger Multiplikator wird die Gastronomie sein, sobald die Produkte breit verfügbar sind. Die Gastronomie erreicht eine breite Zielgruppe und könnte so die Zugänglichkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft steigern. Das Gleiche war bei plant-based Food auch zu beobachten. Sobald dieses Fleisch in großen Mengen und zu bezahlbaren Preisen angeboten werden kann, sehe ich da großes Potenzial. Vor allem in der Fast-Food-Gastronomie, ähnlich wie mit dem Veggieburger. Das wird irgendwann ganz selbstverständlich auf der Karte stehen und die Menschen können die pflanzliche Alternative ohne große Hürden probieren. 

Dennoch ist Beyond Meat nach einem Rekordstart an der Börse ziemlich abgestürzt. Kennen Sie andere Hersteller, die erfolgreicher sind?
Interessant sind Unternehmen, die gerade die Zulassung bekommen haben: Good Meat und Upside Food aus den USA. Und in Israel Aleph Farms. In Europa wäre das niederländische Mosa Meat zu nennen, die 2013 den ersten Hamburger aus kultiviertem Fleisch vorstellten, der damals 250.000 Euro gekostet hatte.

Was sagt die Landwirtschaft zu dem Thema?
Viele konventionelle Landwirte lehnen das als unliebsame Konkurrenz ab. Aber es gibt auch welche, die darin ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell sehen. Wir hatten Mitte Juni eine Konferenz am GDI zur Esskultur. Da trat Illtud Dunsford auf, ein walisischer Landwirt, der aus einer traditionellen Bauernfamilie kommt. Der arbeitet daran, Bioreaktoren zur Zellkultivierung auf seinem Hof neben konventioneller Tierhaltung zu errichten. 

GDI
Christine Schäfer ist Senior Researcherin und Referentin am GDI Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz.

Wie sehen das die großen Player der Lebensmittelindustrie?
Ich vermute eher offen. Schließlich entsteht da ein Milliardenbusiness. Bei plant-based Food waren sie ja auch von Anfang an dabei.
Wie war die Reaktion ihrer Befragten auf das Thema Gentechnik in Lebensmitteln? Das Thema landete im Akzeptanz-Ranking auf dem viertletzten Platz. 61 Prozent sagen, dass sie das ablehnen.

Was wollen denn Ihre Befragten essen?
Am wichtigsten ist ihnen der Geschmack, der Nährstoffgehalt und der Preis. In dieser Reihenfolge {siehe Grafik}. Das sagen sie zumindest. Aber viele sagen ja auch, dass sie Bioprodukte kaufen und trotzdem ist der real verkaufte Bioanteil immer noch gering.

Haben Sie eine Idee, wie man das ändern könnte?
Man könnte viel über den Preis steuern. Zum Beispiel über True Prices. Wenn man also das einpreist, was die Allgemeinheit an Umwelt- und sozialen Kosten zu tragen hat. Heute passiert eher das Gegenteil. Momentan schieben sich alle gegenseitig die Schuld zu. Ein Player könnte den Wandel aber vorantreiben: Der Lebensmittelhandel kann sein Sortiment relativ schnell anpassen, sofern es Alternativen gibt. Er hat einen starken Hebel und könnte hier mutiger sein und mehr Eigenverantwortung übernehmen. Zum Beispiel wie Spar Österreich mit ihrer Zucker-raus-Initiative.
Dies ist eine große Verantwortung und Chance zugleich. Wo positioniere ich was? Was vermarkte ich wie? Wie führe ich meine Kunden durch den Markt? Welche Aktionen bewerbe ich? Das könnte man nicht nur für Produkte mit einer hohen Marge einsetzen, sondern eben auch für gesündere oder nachhaltigere Produkte. 

Was tun Sie nun mit diesen doch eher niederschmetternden Ergebnissen?
Ich bin sicher, dass die Akzeptanz erhöht werden kann, wenn die Leute Novel Foods auch wirklich probieren können. So wie bei pflanzlichen Proteinalternativen. Essen ist ein sehr emotionales Thema. Doch auch hier kann die Auseinandersetzung mit dem Thema die Akzeptanz steigern.

Was sind Novel Foods? 

Novel Foods sind Lebensmittel, die bisher in einem Land oder weltweit noch nicht verzehrt wurden und für deren Verzehr eine behördliche Zulassung erforderlich ist. Dazu gehören Proteinextrakte aus Insekten und kulriviertes Fleisch. Diese Novel Foods müssen ein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen, da keine Langzeitstudien vorliegen.