Mitarbeitermangel in der Küche: „Wir müssen uns anpassen!“

Küche
19.12.2019

Von: Thomas Askan Vierich
Gastro-Berater Benedikt Zangerle erfährt jeden Tag, wo in der Gastronomie der Schuh drückt und hat ein paar Ideen, was man dagegen tun könnte.

ÖGZ: Herr Zangerle, welche Folgen hat der Kostendruck für die Gastronomie – speziell in der Küche?
Benedikt Zangerle: Wenn wir bei einem Nächtigungsplus von 5,3 Prozent im Sommer ’19 nur 1,7 Prozent Umsatzzuwächse verzeichnen, dann fehlen die Margen. Das hat auch sehr viel mit dem Mitarbeitermangel zu tun. Und führt auch dazu, dass Lieferanten wie Zitronen ausgequetscht werden. Auf der anderen Seite werden aber wertvolle Lebensmittel unsachgemäß verarbeitet und unnötig viel weggeworfen.

Hat das auch mit der Qualifikation der Mitarbeiter zu tun?
Wir müssen uns mit Leuten aushelfen, denen die fachliche Qualifikation fehlt. Früher habe ich einen Koch eingestellt und gewusst: Der weiß, wie er arbeiten muss. Heute muss ich Hilfskräften jeden Handgriff erklären. Diese Mitarbeiter, egal woher, haben oft auch einen ganz anderen Zugang zum Thema Lebensmittel, generell habe ich den Eindruck, dass Lebensmittel offenbar nichts mehr wert sind. 

Kann man den Mitarbeitern das nicht beibringen?
Wegen des Fachkräftemangels haben viele Betriebe dafür keine Zeit. Saisonbetriebe müssen innerhalb von drei Tagen funktionieren. Heute kommen womöglich noch Sprachprobleme hinzu oder kulturelle Barrieren. Letzte Woche hat mir wieder ein Küchenchef erzählt: Ich stelle mich hin und bringe ihm das bei, dann kommt er nach ein paar Wochen drauf, dass ihm der Job doch nicht taugt und geht. 

Die Fluktuation steigt?
Vor allem: Ein Mitarbeiter geht, und es kommt nichts Besseres nach, speziell bei Schlüsselpositionen.

Funktionieren Küchen heute anders?
Die klassische Postenküche verschwindet. Einfach weil man nicht mehr die Fachkräfte hat. Das ist ein Problem auch für viele erfahrene Küchenchefs, die können einfach nicht mehr auf die gewohnten Arbeitsabläufe zurückgreifen. Sie brauchen Unterstützung von außen, um sich auf die neue Situation einzustellen und natürlich auch Veränderungswillen! 

Sollte man den Kollektivvertrag anpassen?
Unbedingt. Wir werden um eine verpflichtende Fünf-Tage-Woche, Nachtzuschläge und Wochenendzuschläge nicht mehr herumkommen. Vielleicht sollte man verschiedene Kollektivverträge beispielsweise für die Stadt- und die Ferienhotellerie aufsetzen, wir sind schon jetzt nicht mehr konkurrenzfähig. Es braucht aber im Gegenzug auch Erleichterungen für die Unternehmen, sonst wird es nicht funktionieren, ich sage nur Lohnnebenkosten, Abschreibungszeiten und teurer Kontrollwahnsinn.

Was könnte man im Sinne des Nachwuchses tun? Sind Sie zufrieden mit der Ausbildung?
Absolut nicht. In vielen Tourismus-Fachschulen wird am Markt vorbei ausgebildet, viel zu wenige Schulabgänger landen am Ende wirklich in der Gastronomie. Die Küchen- und Kochtechnik hat sich stark verändert und verbessert mit Kombidämpfern, Schockfrosten, Sous-vide etc. Aber wir haben zu wenig Fachleute, die effizient damit umgehen können, weil sie das auch nicht lernen. Von Ausbildern höre ich dann: „Unsere Schüler sollen doch richtig kochen lernen …“, obwohl in der Lehrküche alles da wäre! Ohne den Einsatz moderner Koch- und Küchentechnik wird es nicht mehr gehen!

Solche Techniken werden auch nicht im Lehrbetrieb vermittelt?
In vielen Betrieben ist das Thema noch gar nicht richtig angekommen. Oder sie haben etwas angeschafft, setzen es aber viel zu selten oder falsch ein. Das erlebe ich jede Woche zweimal. Viele haben noch nicht erkannt, dass man beispielsweise Produktion und Ausgabe trennen und auf Vorrat produzieren kann. So produziert man nebenbei noch sein eigenes Convenience!

Muss man die Lehre generell anders aufsetzen?
Ja. Zum Beispiel zwei Jahre betriebliche Ausbildung in unterschiedlichen Betrieben wie bei der Gascht in Vorarlberg. Und zwei Jahre Theorie und die fachlichen Basics in der Schule. Dabei werden sie auf die modernsten Techniken geschult. Die Auszubildenden müssen auch lernen, mit Systemen umzugehen, wie stelle ich eine gute Hygienepraxis in der Küche auf, Köche müssen kalkulieren und mit einem PC umgehen können, Excel können beispielsweise viele nicht! Es geht um Standardisierung und Basics. Auch die Betriebe müssten sich regelmäßig als Lehrbetrieb zertifizieren lassen. Bei uns darf ja beinahe jeder Würstelstand ausbilden. In manchen Betrieben wird schon so viel Convenience eingesetzt, da lernt man nicht einmal mehr, wie man eine Rindsuppe kocht. Am Ende leidet die Qualität und somit der Gast, leider macht sich das vielerorts schon bemerkbar!

Benedikt Zangerle

Der gelernte Koch mit fast 40 Jahren Berufserfahrung hat im In- und Ausland in der Gastronomie gearbeitet, betreibt seit sieben Jahren seine Gastro-Consulting-Firma, ist seit 2015 bei United Against Waste dabei und berät Gastronomen und Köche bei der Organisation der Küche.
kuechen-consulting.at