Kaffee: Fairtrade oder Direct Trade?
Ist Ihr Kaffee fair gehandelt?“, ist mittlerweile zu einer Art Standardfrage von Gästen geworden. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen fairer Handel noch ein Nischenthema war. Wenn die US-Kette Starbucks fairen Kaffee anbietet, weiß jeder: Das Thema ist im Mainstream angelangt. Doch mit dem Trend zum bewussten, nachhaltigen Konsumenten (Konsumforscher nennen sie
LOHAS) hat sich eine gewisse Dynamik beim Thema nachhaltiger Kaffee entwickelt.
Gute Preise für Bauern
Der Konsument von heute interessiert sich mehr denn je dafür, woher Konsumprodukte stammen und unter welchen Umständen sie produziert wurden. Man spricht dann gemeinhin von Nachhaltigkeit. Diese beruht im Grunde genommen auf drei Säulen: der Sozialverträglichkeit, der Umweltverantwortung und dem rentablen Wirtschaften. Im Kaffeesektor geht es vor allem um den Preis, den der Kaffeebauer erhält und die Arbeitsbedingungen aller mit dem Anbau beschäftigten Personen. Unter diesen Prämissen sind die großen Zertifizierungsfirmen, wie Fairtrade oder UTZ, vor mehr als 20 Jahren angetreten, um gewisse Ungerechtigkeiten innerhalb der Produktionskette zu verringern. Ein grundsätzlich toller Gedanke – aber reicht das heute noch aus, um den Anforderungen eines veränderten Kaffeemarktes gerecht zu werden? „Nein“, sagen viele Kaffeeröster, die sich auffallend oft dem „Direct Trade“ zuwenden. Grund genug für uns, die Pros und Kontras zu durchleuchten.
Spezialitätenkaffees
Ende der 1990er-Jahre begannen gerade die ersten Bestrebungen in Richtung „Spezialitätenkaffees“. Bis zu diesem Zeitpunkt war Kaffee ein reines Massenprodukt, die Bohnen wurden durch einige wenige große Kaffeeröster mehr oder (eher) weniger veredelt. Überproduktionen, Preisverfall und Kaffeekrisen waren an der Tagesordnung. In diesem Umfeld waren neue Labels wie zum Beispiel Fairtrade eine wertvolle Einführung, die vielen Kaffeebauern faire Preise und soziale Standards garantieren sollten. Fairtrade hat die Weichen in Richtung Einbeziehung der Kaffeebauern in die Wertschöpfungskette gestellt. So gesehen ist Direct Trade eine logische Konsequenz daraus. Weil es die Zeichen der Zeit erkennt.
Qualität als neuer Faktor
Die Märkte haben sich verändert. Mittlerweile sind hunderte kleinere Kaffeeröster fixer Bestandteil des Marktes, genauso wie die Kaffeespezialitäten, die sie rösten. Sie preisen Single Origins, Lagen- und Plantagenkaffees, Hinweise auf Ernte und Aufbereitung an. Die Entwicklung des Marktes geht ganz klar in Richtung Qualität. Und genau dieser Qualitätsgedanke ist ein Grund, warum sich viele Kaffeeröster weg vom Fairtrade-Label hin zu Direct Trade begeben. Zum Vergleich: Ein guter Koch sucht auch den direkten Kontakt zum Produzenten, um bessere Qualität zu bekommen und bietet oft eine garantierte Abnahme an.
Fairtrade als Marketinginstrument
Die Kaffeeröster sind ebenso bereit, mehr zu zahlen, oft sogar viel mehr, als die Bauern über den Fair-Trade-Betrag bekommen würden, allerdings muss die Qualität passen. Diese Anreize können durch Direct Trade gegeben werden: „Produzierst du besser, dann bekommst du mehr Geld“, lautet der Deal. Dieser Anreiz fehlt bei den Labelfirmen: Bei Fairtrade bekommt der Kaffeebauer beispielsweise einen Differenzbetrag vom Weltmarktpreis zu seiner Kaffeequalität. Aber hat das nicht zur Folge, dass eine Kooperative immer den Kaffee an Fairtrade verkaufen wird, der den schlechtesten Marktpreis erzielt – schon um den Differenzbetrag auf dem Maximum zu halten?
Roger Wittwer von der Rösterei Kafischmitte aus der Schweiz meint: „Solange Fairtrade nicht an die Qualität gekoppelt wird, bleibt Fairtrade ein reines Marketinginstrument.“
Der Preis als Problem
Besonders der Preis steht in der Kritik an Fairtrade ganz oben. Der bezahlte Preis an den Kaffeebauern ist de facto zu niedrig und nicht existenzsichernd. Im Direct Trade wird das Zwei- bis Vierfache bezahlt. Manchmal auch mehr, aber das geht eben mit der erwähnten Qualität einher. Einige Röster sprechen davon, dass selbst eine doppelte Fairtrade-Prämie noch immer nicht für ein sorgenfreies Leben der Kaffeebauern ausreicht. Fairtrade entgegnet, dass es hier nicht nur um den Preis geht. Die Standards von Fairtrade im ökonomischen, sozialen und ökologischen Bereich stellen sicher, dass die Kaffeebauernfamilien auf vielen Ebenen nachhaltig profitieren. Und diese internationalen Standards schützen die Bauern.
Die Kaffee-Experten von Cult Caffè drücken das Preisproblem so aus: „Fairtrade garantiert den Mitgliedsbauern einen fairen Grundpreis. Dies ist natürlich ein gutes Argument, aber nur solange der Weltmarktpreis unter diesem Level liegt. Werden höhere Marktpreise geboten, so verkauft der Farmer seinen Kaffee am freien Markt und die schlechtere Qualität zum garantierten Preis der Fairtrade-Organisation.“
Da der moderne Röster bestrebt ist, einen nachhaltigen Kaffee mit einer authentischen Geschichte im Sortiment zu haben, wird Direct Trade immer bedeutender. „Der Trend bei Rohkaffee geht eindeutig hin zur ‚Rückverfolgbarkeit‘ (Traceability) sowie zur jeweiligen Geschichte des Kaffeebauern oder Kaffee-Kleinbauern-Kooperativen und der Region, aus welcher der Rohkaffee stammt“, meinen die Kaffeeprofis von Cult Caffè. An dem „Orang-Utan-Projekt“ in Sumatra (orangutan.coffee) sind beispielsweise mittlerweile 50 Röster in ganz Europa beteiligt. Der Mehrwert geht direkt in die Rettung des Regenwaldes, der Heimat der Orang-Utans.
Rückverfolgbarkeit
Auch der Zertifizierer UTZ setzt auf das Instrument der Rückverfolgbarkeit. Diese macht alle Schritte in der Lieferkette sichtbar und nachvollziehbar. Einzelhändler und Marken, die UTZ-zertifizierte Produkte verkaufen, können die Geschichte hinter ihren Produkten teilen, indem sie einen Online-Tracer auf ihrer eigenen Homepage setzen. Über den sogenannten Tracer kann jeder Konsument nachverfolgen, woher der von ihm gekaufte Kaffee stammt.
Auch Fairtrade unternimmt Anstrengungen in Richtung Traceability, doch das Hauptproblem ist der Umstand, dass die Labels inflationär gebraucht werden – weder der zertifizierte 12-Euro-Turnschuh bei Lidl noch eine Quotenregelung für die Multis tragen zur Förderung der Glaubwürdigkeit der Labels bei. Das Label alleine reicht auch nicht mehr aus, es besteht ein Bedürfnis zur Transparenz in der Produktionskette – die Menschen sind aufgeschlossener als noch vor 20 Jahren, sie wollen mehr wissen.
Auch die Firma Schärf sieht sich im Direct Trade bestätigt: „Wir betreiben direkten Handel mit unseren Kaffeefarmern und setzen so in puncto Transparenz und Nachhaltigkeit im Kaffeehandel seit vielen Jahren neue Standards. Durch die nachhaltigen Kontakte und den fairen Umgang mit unseren Produzenten können wir die wichtigsten Voraussetzungen für die höchste Qualität unserer Produkte garantieren – Verständnis, Vertrauen sowie die Leidenschaft für den Kaffee. Das gegenseitige Verständnis ermöglicht es uns auch, die Farmer projektbezogen direkt zu unterstützen, wo Hilfe benötigt wird.“
Die Probleme bei Direct Trade
Es fehlen einerseits die perfekte Kontrolle als auch die verbindlichen Standards, doch an die Stelle der Zertifizierung rückt die totale Transparenz. Bei den meisten Direct-Trade-Projekten kann man jeden noch so kleinen Fortschritt und jedes Procedere online verfolgen.
Andererseits ist für kleine Röster auch der Aufwand für Kontrolle und Qualitätssicherung sehr groß und sicher von den großen Zertifizierungsunternehmen leichter zu bewältigen.
Letztlich schließen sich Fairtrade und Direct Trade nicht gegenseitig aus. Der Kaffeeproduzent JDE teilt etwa die Überzeugung, dass beide Zertifizierungen ihre Vorteile und damit Berechtigung haben. „Fairtrade basiert auf dem Prinzip der Kooperationen. Durch das gemeinschaftliche Handeln kann die Existenz der einzelnen Produzenten sichergestellt werden. Im Gegensatz zu Fairtrade setzt Direct Trade auf Individualität. Das Konzept basiert auf dem Preis-Leistungs-Gedanken: Der Hersteller kann also – abhängig von seiner gelieferten Qualität – einen höheren Preis erzielen“, heißt es.
Beides zusammen
Der Grazer Röster J. Hornig war die erste Fairtrade-zertifizierte Rösterei in Österreich. „Mittlerweile haben wir neben dem Fairtrade-Zertifikat auch die ISF (International Food Standard)- und ISO 9001:2008-Zertifizierung. Damit möchten wir auch im Prozess- und Qualitätsmanagement hohe Standards garantieren“, so Geschäftsführer Johannes Hornig. „Mit unserer Spezialitätenlinie Joho’s unterstreichen wir die Wichtigkeit unseres nachhaltigen Wirtschaftens. Die Bohnen dieser Produktlinie stammen aus Brasilien, Guatemala und Äthiopien und werden direkt, d. h. ohne Zwischenhändler, von den Farmern vor Ort bezogen.“ Um den direkten Kontakt mit den Farmern zu pflegen und Qualität sowie ökonomische und ökologische Standards zu definieren und zu überprüfen, besuchte Hornig 2014 die Farmer in Brasilien und 2016 jene in Guatemala.
Nespresso hat ein eigenes Zertifizierungssystem ins Leben gerufen, arbeitet aber trotzdem mit dem fairen Handel zusammen: „Ziel ist es, letztlich 100 Prozent der permanenten Grands Crus über das Nespresso-AAA-Sustainable-Quality-Programm zu beschaffen. Hierfür werden die Kaffeebauern unterstützt, die Zertifizierungsstandards durch den langfristigen Partner Rainforest Alliance und Fairtrade zu erreichen sowie für eine Ausweitung des AAA-Programms in Afrika zu sorgen“, heißt es aus der Konzernzentrale.
Auch Fairtrade sieht das ähnlich: „Direkte Lieferbedingungen und Fairtrade-Standards schließen einander nicht aus. Im Gegenteil. Pioniere des fairen Handels wie etwa die EZA oder die Kaffeerösterei Alt Wien leben echten direkten Handel mit Fairtrade-Produzentenorganisationen seit Jahrzehnten erfolgreich vor.“ Fairtrade-zertifizierte Kaffeeröster unterstützen also einen gesamtheitlichen entwicklungspolitischen Ansatz, der durch das Fairtrade-Siegel transparent nachvollziehbar ist.
Letztlich steht Direct Trade also nicht unbedingt in einem Konkurrenzverhältnis zum fairen Handel, sondern bietet vielmehr eine vernünftige Erweiterung an.