Ukraine-Krieg
„Jeder kann ein Zimmer geben“
Die Initiative One Family, One Hotel, One Europe ist gestartet. Wie kam es dazu, und wie kann man da mitmachen?
Sepp Schellhorn: Mein guter Freund Joschi Vetter und ich saßen da und waren geplättet von diesem furchtbaren Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Ich dachte, scheiße, wie kann ich da einen Beitrag leisten? Wir überlegten, dass es 60.000 Beherbergungsbetriebe gibt und dass der geringste Aufwand für einen Hotelier es ist, ein Zimmer zur Verfügung stellen. Wenn die Männer im Krieg ihr Land verteidigen, will man, dass die Lieben, die Frauen und die Kinder in Sicherheit gewogen sind. Dieses Sicherheitsgefühl ist in einem eigenen Zimmer natürlich besser als in einem Pritschenlager oder Ähnlichem.
Die Initiative läuft international an. Wie kam es dazu?
Aus meiner touristischen Tätigkeit als ÖHV-Präsident hatte ich noch gute Kontakte zu meinen Kollegen aus Südtirol, der Schweiz sowie nach Deutschland. So entstand der Claim „One Hotel, One Family, One Europe“. Es haben sich viele gemeldet, die jetzt mithelfen. Ich habe zwei Mitarbeiterinnen abgestellt, die sich nur um die Logistik kümmern. Da ruft beispielsweise „Train for Hope“ an, und dann schicken wir ein Angebot, wo wir eine Familie aus unserem Netzwerk unterbekommen. Wir haben in unserem eigenen Hotelbetrieb jetzt beispielsweise fünf Frauen mit vier Kindern aufgenommen, denen wir über den Sommer hinweg Unterkunft bieten.
Wie lange sollte man ein Zimmer zur Verfügung stellen?
Das ist im Grunde egal. Manche machen das nur für ein, zwei Monate. Meine Frau und ich haben uns darauf eingestellt, dass unsere beiden Familien länger bleiben. Derzeit schlagen in der Ukraine die Bomben ein und treiben leider bis zu vier Millionen Menschen in die Flucht. Wir haben es schon im Jugoslawienkrieg geschafft, dass die Flüchtlinge dezentral und nicht in riesigen Quartieren untergebracht werden. Das soll auch jetzt gelingen! So findet die Integration viel leichter statt. So wird es möglich, dass wir die Leute auch besser in Schulen unterbringen und auch in den Arbeitsprozess reinbringen.
Läuft es jetzt besser als 2015?
Die Zivilgesellschaft zeigt derzeit eine riesengroße Bereitschaft, sie ist jetzt auch größer als 2015.
Sie selbst wurden 2015 sogar angefeindet, weil Sie Flüchtlinge aufgenommen und ausgebildet haben.
Das stimmt schon, ich habe 2015 teils Dramatisches erlebt. Damals wurde das Feindbild des testosterongetriebenen muslimischen Mannes von manchen politischen Seiten gezielt gezeichnet. Es gibt derzeit keine Anfeindungen, die Zivilgesellschaft funktioniert. Auch die politische Rechte ist derzeit still. Es gibt derzeit nur ein paar Trolle, die nehme ich aber nicht ernst.
Manche sagen, die Unterbringung sei Aufgabe des Staates, nicht von Hotels. Was sagen Sie denen?
Der Staat ist derzeit wieder einmal überfordert. Es muss jetzt einfach wahnsinnig schnell gehen. Mir wird in den Social-Media-Kanälen schon wieder vorgeworfen, dass ich ein Geschäft damit mache. Das ist natürlich Blödsinn. Wir nehmen rein gar nix. Wir glauben, dass man als Unternehmer ein Zimmer zur Verfügung stellen kann, ohne dass das Geschäft deshalb zusammenbricht. Wenn das Sacher das mit dem Marcel Prawy jahrelang machen konnte, können wir das auch (lacht).
Mir sagte vor kurzem ein Personalberater, dass da jetzt viele touristische Fachkräfte der Zukunft zu uns kämen. Wie sehen Sie das?
Jetzt geht es mal darum, Schutz zu bieten. Natürlich sagen beispielsweise meine Damen schon nach ein paar Tagen, dass sie was tun, dass sie etwas zurückgeben wollen. Natürlich wird es einige geben, die die Motivation haben, hierbleiben zu wollen und sich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Gleiche gilt aber auch nach wie vor für die Flüchtlinge von 2015. Da muss man natürlich auch die Frage stellen, ob wir bereit sind, sie auszubilden?
Das war ein leidiges Thema bei den Flüchtlingen von 2015. Auch die ÖGZ hat damals kritisiert, dass die türkis-blaue Regierung alles tat, um die Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Das ist ja jetzt besser. Ukrainische Staatsbürger dürfen zumindest arbeiten.
Das ist aber ein europäischer Verdienst und kein österreichischer. Weil das hat die EU festgelegt. Und das finde ich sehr positiv.
Es gibt viele nichtstaatliche Initiativen, die Geflüchteten helfen. Ist die Szene vernetzt?
Wir merken, dass im öffentlichen Apparat eine gewisse Lähmung steckt. Die Privatinitiativen sind derzeit flinker. Wir müssen schauen, dass wir nicht parallel zum System arbeiten, sondern das System entlasten. Wir warten jetzt auf die Möglichkeiten, mit dem Bund in Verbindung zu treten. Aus meiner Zeit als Politiker habe ich natürlich noch Kontakte, die hier eine bessere Vernetzung möglich machen.