Management

Energiekostenbremse auf eigene Rechnung

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08.01.2025

Gewerbe-Energieberater Roland Lifka im Interview über Strategien, mit denen Unternehmen ihre Energiekosten in den Griff bekommen.
Energiekosten

Derzeit ist der Regierungswechsel voll im Gange und damit auch einige anstehende Änderungen der Energiepolitik, was sind Ihre Gedanken als KMU-Energieberater dazu?
Wir haben gerade in Österreich, international gesehen, massive Chancen auf Ebenen, die medienpolitisch kaum erwähnt und gehört werden; darauf sollte sich die Diskussion und Berichterstattung vorrangig konzentrieren. Investitionen in die Umwelt, die die Volkswirtschaft stärken, die für Unternehmen skalierbar, planbar und exportierbar sind, lassen sich sachlich und ideologiefrei argumentieren. Zu unser aller Vorteil. Die JKU-Linz nennt zu den Potenzialen auch entsprechende Zahlen wie z.B. jährliche Investitionen in Höhe von 4,5 Mrd. € allein durch den Ausbau erneuerbarer Energien und das noch ohne Energieeffizienzmaßnahmen und dergleichen. Mehr als 100.000 zugehörige Arbeitsplätze und eine jährliche BIP-Steigerung von über 10 Mrd. €. Aber auch verbrauchssenkende Maßnahmen, die nicht direkt in unsere „alte Ordnung“ der volkswirtschaftlichen Kennzahlen passen, steigern den Wohlstand: Man denke nur an die Verbesserung der Gebäudequalität, die sich bei geringerem Energieeinsatz über Jahrzehnte positiv auswirkt, ohne an Komfort einzubüßen. Im Gegenteil, die Behaglichkeit steigt durch wärmere Oberflächentemperaturen.

Kommen wir gleich zu den skalierbaren und planbaren Inhalten. Was haben die letzten Jahre im Bereich der von Ihnen betreuten, vornehmlich KMU-Betriebe, Kund*innen an Erschwernissen und auch Verbesserungen gebracht? Und wie sieht die Perspektive für das neue Jahr aus?
Die Energiekrise mit Beginn des Krieges in der Ukraine hat die Preise massiv in die Höhe getrieben, eine Erschwernis für die Unternehmen und gleichzeitig eine vielfach genutzte Chance, sich durch Senkung des Endenergiebedarfs und Investitionen in erneuerbare Energien unabhängiger zu machen. Das Ergebnis einer jahrzehntelangen verfehlten zentralistischen Energiewirtschaft auf Basis einer (quasi-)monopolistisch geführten Energiepolitik. Völlig losgelöst von bisherigen Regulierungen und Förderungen kam dieser Impuls „um die Ecke“ und rüttelte uns wach, selbst aktiv zu werden. Diese Anfangszeit war geprägt von einer deutlich gestiegenen Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen im Bereich der Energiewende, lange bevor der Staat mit - meines Erachtens oft auch fragwürdigen - Maßnahmen eingreifen konnte.

AGGM 2024

Reduktion der Förderprogramme

In Österreich lag der Erdgasverbrauch im Jahr 2024 beispielsweise bei nur noch 74 TWh, das sind 17 TWh weniger als im Durchschnitt der Jahre 2018-2022, in denen der Verbrauch mit 91 TWh noch um 23% höher war.

Die Menschen sind mündig, Unternehmer*innen denken zwangsläufig betriebswirtschaftlich zu ihrem Vorteil, daran braucht man sie politisch nicht zu erinnern. Was hilft sind Aufklärung, Bewusstseinsbildung durch gezielte Beratung, ganzheitliche Systemansätze, die Erstellung und Hilfe bei der Implementierung von maßgeschneiderten Sanier- und Energiekonzepten.

Betriebe wollen rasch, unbürokratisch und ohne Verzögerungen zu ihrem Vorteil umsetzen. Der Preisdruck und die Ausweitung v.a. der Dienstleistungsangebote haben sie unabhängiger werden lassen, teilweise reduzierten diese ihre Endenergiebedarfe um über 90%. Senkungen i.H.v. 70-90% sind der Standard, wenn wir Konzepte mit Umsetzungsbegleitung abschließen. Es wurden zwar von politischer Ebene die Programme v.a. im Bereich der Förderungen massiv ausgeweitet und natürlich waren diese anhand der Kennzahlen, inwieweit und rasch die Budgets aufgebraucht wurden, auch erfolgreich. Doch die Begleitungen wurden zusehends schwieriger.

Für div. Programme gab es zu wenige Menschen mit Kompetenzen auf Seiten der Abwicklungsstellen, Bewilligungen betreuter Projekte haben bis zu 3 Jahre seitens dieser von der öffentlichen Hand beauftragter Stellen und bis zur Auszahlung teils noch mehr Zeit in Anspruch genommen; das sind untragbare Risiken und es ist eine Zumutung für Betriebe.

Als Vergleich: bis 2019 vor der Covid-Krise waren es meist weniger als 5 Wochen bis zur Beurteilung von Förderungseinreichungen im KMU-Bereich. Da konnte bei Bedarf im Falle einer ersten Negativbeurteilung nachge- und verbessert werden. Am Ende wurde erfolgreich umgesetzt und die Mittel standen rasch zur Verfügung.

Was fordern Sie?
Aus meiner Sicht braucht es bei gestärkter Nachfrage in erster Linie Vereinfachungen und wahrscheinlich wäre auch eine Reduktion der Förderprogramme, anstatt einer Ausweitung dieser – also exakt das Gegenteil von dem, was passiert ist, sinnvoll. Gerade Betriebe sind auf rasche und zuverlässige Prozesse angewiesen, um Risiken niedrig zu halten und die Energiewende rasch, auch volkswirtschaftlich entlastend, umsetzen zu können.

Jetzt allerdings, wo diverse Programme bis inkl. 2025 ausgeschrieben waren und es vorrangig durch fehlende Budgets zum Stillstand gekommen ist, sollte man Haltung beweisen und Mittel bis zum Ende der ursprünglich angesetzten Programmperioden bereitstellen, bevor man diese ändert und alle Beteiligten weiter entgegen ihren Erwartungen enttäuscht.

Ein Prozess weg von wenigen, zentralen Großkraftwerken und hohen Endenergiebedarfen, hin zu vielen, dezentralen, auch sehr kleinen Einheiten, mit parallel einer Senkung der Energiebedarfe, kann sich in Summe nur deflationär auf die Energiepreise und damit positiv auf uns auswirken.

Als Unternehmer und Zwangsoptimist sehe ich sowohl bei unseren Kund*innen als auch bei uns selbst eine Abkehr von komplexen Abwicklungsprozessen, die stark von der öffentlichen Hand, oder Stellen, die von dieser beauftragt sind.

Das werte ich positiv. Autonomie über das eigene Kapital, die eigenen Investitionen, sind der Gesellschaft dienlich. Lediglich die Steuer- und Abgabequoten sind m.E. überdimensional. Man hat uns also vom Förderbedarf abhängig gemacht, wenn uns zu wenig im Börserl bleibt, die Energiewende ohne diese nicht umsetzen zu können. Wir müssen als Bittsteller für volkswirtschaftlich und umwelttechnisch sinnvolle Maßnahmen, um eine Teilrückerstattung unserer Steuern und Abgaben betteln gehen – eine völlig verkehrte Welt, mit Risiko-Chancen-Umkehr zu Ungunsten der wertschöpfenden Betriebe.

Daher plädiere ich dafür sich die individuelle Situation einmal ohne und zusätzlich auch mit möglichen Förderungsprogrammen anzusehen. Entscheiden Sie ohne Förderungsbedarf für, oder gegen ein Projekt. Das schafft Ihnen selbst in jedem Fall Investitionssicherheit, unabhängig von einer positiven Beurteilung für mögliche Zuschüsse. Natürlich verzichten Sie dann nicht bewusst auf potenzielle Förderungen.

Sie kommen dann in einen Zustand, in dem Sie potenzielle Zuschüsse als mögliche Prämie, jedoch nicht als gesichert und schon gar nicht als notwendig einstufen – die Kontrolle bleibt bei Ihnen.

Jetzt haben Sie doch deutlich ausgeholt und neben Anreizen auch die Problematik, sozusagen die Bremsen der Energiewende aus Beratersicht im KMU-Bereich beschrieben; wie jedoch sehen nun die Lösungen konkret aus bzw. was könnte verbessert werden?
Aus meiner Sicht ist jeglichen, marktgetriebenen, monetären Anreizen starkes Gewicht bei der Aufmerksamkeit zuzuordnen. Hier liegen die Chancen, Energie und Ressourcen sowohl effizient einzusetzen als auch den Produktstandort für Erzeugnisse zur Unterstützung der Energiewende attraktiv zu machen. Die Menschen sind naturgemäß an einer funktionellen Biosphäre mit einem erträglichen Klima interessiert. Sie benötigen privat Möglichkeiten, für die Zukunft vorsorgen zu können, genauso wie ein Geschäftsführer/ eine Geschäftsführerin gezwungen und verpflichtet ist, wirtschaftliche Investitionen zu tätigen. Jegliche umweltwirksamen Tätigkeiten und Maßnahmen (zumindest diese, aus meiner Sicht auch mehr – doch um beim Thema zu bleiben) gehören umfassend entlastet. Das bedeutet, dem Steuer- und Abgabedruck zuvorzukommen, nicht rückwirkend über komplexe und langwierige Programme rückzuerstatten. Oft wurden dabei mehr Zinsen gezahlt, als nach Jahren an Abwicklungsprozessen an Förderungen erstattet wurden; zusätzlich der immense Aufwand der Programme selbst.

Als Beispiele für mögliche Lösungen, die derzeit auch förderungsunabhängig, und das global, stark umgesetzt werden: Luft-/Luft-Wärmepumpen, Optimierungen von Steuerungs- und Regelungssystemen, PV-Anlagen, sowie Abwärmenutzungen v.a. im IT-Bereich, das heißt Wärme aus Rechenprozessen wird parallel zu den gelösten Rechenaufgaben der Rechenzentren monetarisiert. Denken Sie an Cloud-Computing, AI-/ KI-Prozesse, oder auch Blockchain-Technologien. Durch einfachere, geschickte Positiv- und Negativanreize in Form von z.B. Sektor-bezogenen CO2-Preisen, die den Wirtschaftsstandort spezifisch entlasten und Alternativtechnologien anreizen können, sowie durch Steuervorteile, könnte mE auch das große, restliche Konvolut an Potenzialen einfacher bedient werden als mit komplexen Förderprogrammen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Gestehen wir den Menschen von politischer Ebene her bitte wieder mehr Mündigkeit zu, denn sie sind es und sie wollen Änderungen und setzen viel um; das erlebe ich tagtäglich und es gibt für mich nichts Schöneres, als wenn jemand aus freien Stücken, weil er/ sie eine Problematik selbst erkannt hat, handeln möchte und dies auch ohne, oder zumindest mit nur wenigen Hürden rasch zum Erfolg führen kann. Das stärkt die Souveränität, den Wirtschaftsstandort, die Gesellschaft und das Individuum. Wir sind jetzt als Firma und Kleinstunternehmen über 10 Jahre auf dem Markt und unsere Kund*innen haben auf den Lebenszyklus betrachtet Maßnahmen mit Endenergieeinsparungen in Höhe von 285 GWh umgesetzt. Das entspricht in etwa dem Jahresstromverbrauch von 80.000 Haushalten.

Zur Person

Roland Lifka
Roland Lifka

Roland Lifka ist Geschäftsführer der Synto GmbH und seit über 10 Jahren als Gewerbeenergieberater tätig.