Tourismus
Der Schlüssel zum Gleichgewicht
Gernot Memmer, Geschäftsführer und Managing Partner der Tourismusberatung Kohl und Partner, sprach in seinem Vortrag über die wachsende Bedeutung der Besucherlenkung. Er betonte, dass das Gleichgewicht zwischen der Erlebnisqualität der Gäste und der Lebensqualität der Einheimischen im Mittelpunkt stehen muss.
Memmer sieht die Besucherlenkung als essenziell, um dieses Gleichgewicht zu wahren.
Vier zentrale Ziele
Memmer nannte vier Hauptziele der Besucherlenkung:
- Entwicklung des Lebensraums: Tourismus fördert die Entwicklung und den Wohlstand eines Lebensraums.
- Förderung des Gemeinwohls: Tourismus soll das Gemeinwohl stärken und von einer ausgeglichenen Balance leben.
- Grundlage für Leben und Wirtschaften: Lebensräume dienen als Basis sowohl zum Leben als auch zum Wirtschaften.
- Treibstoff für Tourismusakzeptanz: Besucherlenkung wird entscheidend für die Akzeptanz und positive Einstellung zum Tourismus sein.
Herausforderungen der Besucherlenkung
Ein Beispiel aus Südtirol, der Pragser Wildsee, verdeutlicht die Herausforderungen. Durch soziale Medien wie Instagram stieg die Besucherzahl rasant. Die Gäste wollen authentische Naturerlebnisse und immer öfter kürzere, aber häufigere Reisen unternehmen, was zu einer hohen Verkehrsbelastung führt. Eine Umfrage zeigte, dass 41 Prozent der Einheimischen den Verkehr als größten Frustfaktor im Tourismus sehen.
Prinzipien der Besucherlenkung
Besucherlenkung beginnt mit der Datenerhebung, etwa durch Sensoren und Mobilfunkdaten. Wichtig ist, zunächst Ziele zu definieren: Soll eine zeitliche oder räumliche Entzerrung erreicht werden? Erst danach sollten Maßnahmen folgen. Beispiele für solche Maßnahmen sind:
- Orientierung und Leitsysteme: Wie in großen Freizeitparks oder Flughäfen, um Besucherströme zu steuern.
- Zeitliche Verteilung: Zeitslots wie bei der Sagrada Familia in Barcelona oder Schönbrunn in Wien.
- Preisanpassungen: Dynamic Pricing, bei dem Preise je nach Nachfrage variieren, wie es bereits Skigebiete praktizieren.
- Zugangsbeschränkungen: Limitierung der Besucherzahlen, wie beim Antelope Canyon in Arizona oder dem Pragser Wildsee, mit maximal 6.000 Gästen täglich.
Innovative Ansätze der Besucherlenkung
Ein Ansatz ist das sogenannte „Nudging“: Durch positive Anreize sollen Besucher zu weniger frequentierten Orten geleitet werden. Ein Beispiel ist die Südtirol Gästekarte, die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglicht und somit den Individualverkehr reduziert.
In Wien wiederum wurden Marketingkampagnen gestartet, um Besucher auf alternative Stadtteile zu lenken („Grätzl“). Anderes Beispiel: In der Schweiz wurden über 570 Grillstellen errichtet, um Besucher gezielt an diese Orte zu lenken und das Wildgrillen zu verhindern.
Blick in die Zukunft
Memmer ist überzeugt, dass Urlaube und Ausflüge in ihrer Wertigkeit generell steigen werden. Spontane Besuche an Hotspots werden seltener, während räumliche und zeitliche Entzerrungen sowie Zugangsbeschränkungen zunehmen. Diese Verknappung macht Urlaubsziele begehrenswerter und die Balance zwischen Erlebnisraum und Lebensraum wichtiger denn je.
Es ist laut Memmer oft entscheidend, gezieltes Marketing und die Entwicklung spezifischer Angebote zu fördern, während gleichzeitig sensiblere Gebiete durch Demarketing geschützt werden. Die Maßnahmen variieren je nach Zielsetzung und können von infrastrukturellen Anpassungen bis hin zu weicheren oder strengeren Regelungen reichen. Erfolgreiche Besucherlenkung erfordert meist einen interdisziplinären Ansatz. Besonders die Digitalisierung spielt eine große Rolle, vor allem bei der Datenerhebung und -auswertung. Heute ist dies wesentlich einfacher als noch vor einigen Jahren.
Auch die Themen Mobilität, Nachhaltigkeit, Besuchspsychologie und Community-Marketing sind entscheidend. Diese Faktoren müssen zusammenwirken, um eine effektive Besucherlenkung zu gewährleisten.