Niveau der Lehrstellenbewerber gesunken

Vida
15.11.2011

Wien. Die Wiener Arbeitskräfte- und Ausbildungsbefragung 2011 ergab, dass es den Bewerbern für Lehrstellen im Tourismus an Hausverstand, allgemeinen Kulturtechniken und sozialer Kompetenz mangelt.

Die Ergebnisse der Wiener Arbeitskräfte- und Ausbildungsbefragung im Tourismus 2011 zeigen deutlich, wo der Hut brennt. Die Unternehmer finden es aktuell schwieriger, gute Lehrlinge zu finden. Das Niveau der Bewerber ist deutlich gesunken und es fehlt an grundlegenden Qualifikationen wie z.B. sozialer Kompetenz. Doch gerade diese ist in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, wo der Schwerpunkt oft im Kundenkontakt liegt, unverzichtbar.

Gesunkenes Niveau der Bewerber
Was das Niveau der Bewerber für eine Lehrstelle betrifft, nehmen die befragten Gastronomen großteils eine Verschlechterung zu den letzten fünf Jahren wahr. Dabei zeigen die Ergebnisse deutliche Unterschiede zwischen Interessenten aus Wien und aus den restlichen Bundesländern. Die Fähigkeiten der Bewerber aus Wien werden von mehr als der Hälfte der Befragten als vergleichsweise schlechter beurteilt. Etwa drei von zehn Befragten sind sogar der Ansicht, dass die Wiener Lehrstellenanwärter "viel schlechter" seien als noch vor fünf Jahren.

Zu wenig logisches Denken
Gefragt nach fehlenden Qualifikationen bei Lehrstellenbewerbern geben 7 von 10 Befragte an, dass sie bei diesen vor allem das "Logische Denken" bzw. den "Hausverstand" vermissen (71,8%). Weiters wird von fast zwei Drittel der befragten Unternehmer mangelndes "Interesse am Beruf" (64,1%) beanstandet. Von mehr als der Hälfte werden "Allgemeine Kulturtechniken" wie etwa Rechnen/Schreiben (55,1%) und die "Soziale Kompetenz" bzw. der "Umgang mit Anderen" (53,8%) als Mangel aufgezeigt. Ein Drittel ist mit den "Sprachkenntnissen" (33,3%) der Bewerbern unzufrieden.

Gute Umgangsformen wesentlich
"Die Wiener Unternehmer der Tourismus- und Freizeitwirtschaft bemühen sich nach Kräften, jungen Menschen im Rahmen der dualen Ausbildung umfassendes Wissen zu vermitteln. Grundvoraussetzungen wie Lesen, Schreiben und soziale Komponenten müssen aber vorhanden sein. Gerade für die Sparte der gelebten Gastfreundschaft ist es nicht tragbar, wenn der Umgang mit dem Gast Schwierigkeiten bereitet. Jeder Lehrstellenbewerber, der gute Umgangsformen hat, wird auch eine Lehrstelle finden", so KommR Ing. Josef Bitzinger, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WK Wien.

Kein "Aushängeschild" für Lehre
 „Statt laufend über das angeblich gesunkene Bildungsniveau der Wiener Jugendlichen herzuziehen, sollten sich die Arbeitgeber im Tourismus fragen, warum kaum jemand bei ihnen eine Lehre beginnen will“, sagt Thomas Stöger, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft vida in Reaktion auf eine heutige Aussendung der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Wien. Häufige Verstöße gegen das Arbeitsrecht und niedrige Löhne seien kein „Aushängeschild“ für eine Lehre im Tourismus, ergänzt der Landesvorsitzende der vida-Wien, Helmut Gruber. +++

Viele Verstöße und Missachtungen
Die Wirtschaftskammer verweist in der Aussendung auf eine Erhebung unter Arbeitgebern, die die fehlenden Qualifikationen der Jugendlichen belege. Stöger dazu: „Die Umfragen auf Arbeitnehmerseite zeigen die andere Seite der Medaille: Häufige Verstöße gegen die Arbeitszeitbestimmungen, die Missachtung der Abend- und Nachtruhe, unzulässige Überstunden und das Einsetzen zu berufsfremden Hilfsdiensten – das alles wird vielen Jugendlichen bei einer Lehre im Hotel- und Gastgewerbe zugemutet“, sagt der Gewerkschafter.

Schlechtere Rahmenbedingungen
Dazu komme, dass die Branche sowohl bei der Entlohnung als auch bei den sonstigen Rahmenbedingungen teils weit hinter anderen Berufen zurückliege. „Die Lehrlingsentschädigungen sind niedrig. Und während in anderen Branchen die Arbeitgeber schon längst die Internatskosten während der Berufsschulzeit bezahlen, sagen die Touristiker dazu bislang kategorisch ‚Njet’“, sagt Gruber. Auch nach der Lehre wechseln viele Beschäftigte die Branche. „Das ist kein Wunder. Familienfeindliche Arbeitszeiten, ein rauer Umgangston, kaum Aufstiegsmöglichkeiten und eine Entlohnung, die rund ein Viertel unter dem Durchschnitt liegt, haben dazu geführt, dass der Tourismus zur ‚Fluchtbranche’ geworden ist“, weiß Stöger.