Wie Markengastronomie funktioniert
Thomas Sykora hat als Gastronom zunächst Lehrgeld zahlen müssen. Die Après-Ski-Bar in seinem Heimatort hatte nicht funktioniert. „Wir hatten kein Warenwirtschaftssystem im Hintergrund, kein Controlling, und ich war selbst zu wenig vor Ort“, erinnert sich der Ex-Skirennläufer. Sein zweiter Versuch einige Jahre später war dann von Erfolg gekrönt. Er eröffnete im Paschinger Einkaufszentrum PlusCity eine Filiale von „my Indigo“. Sykora kannte die gesunde Fastfood-Kette mit Suppen und Currys aus eigener Erfahrung: „Meine Frau leidet unter einer Glutenunverträglichkeit und ernährt sich vegan, ein Sohn ist Vegetarier, zwei Kinder essen gerne Fleisch: Kaum eine Gastronomie konnte uns alle gleichzeitig glücklich machen – außer my Indigo.“
Jetzt steht er selbst hinterm Tresen und macht im August sein zweites my Indigo im Wiener Donauzentrum auf. Dafür wurde er vor rund zwei Jahren vier Monate lang in Theorie und Praxis geschult. „Mich hat das System fasziniert. Genau das hatte mir bei der Skibar gefehlt.“
Das System hat der Salzburger Gastronom Hannes Raschhofer entwickelt. Unter der Dachmarke „Soulkitchen“ segeln 17 Lokale mit drei unterschiedlichen Konzepten: neben my Indigo sind das Barefoot Coffee und Raschhofer’s. Barefoot Coffee steht für ein flexibles Ganztageskonzept und Raschhofer’s für Craftbeer und Craftfood. Die Filialen nennt Raschhofer „Flieger“, die Franchisenehmer heißen „Piloten“.
Freiheit für die Piloten
Thomas Sykora ist so ein Pilot: Ihm gehören die beiden Lokale, er hat sie finanziert und ist selbst vor Ort, in der Anfangsphase sechs bis sieben Tage in der Woche. Er kümmert sich um 14 bis 15 Mitarbeiter pro Filiale, um die Diensteinteilung, punktgenaue Warenbestellung, tägliche Inventur, die ständige Kontrolle der Portionsgrößen und die Zusammenstellung der Gerichte. Der Rest wird ihm vom System abgenommen. „Es gibt dem Piloten die Freiheit, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren: die Mitarbeiter und die Gäste“, sagt Raschhofer. Täglich bekommt Sykora über die App „my Cockpit“ aktuelle Umsatzzahlen, auf die er sofort reagieren kann. Die Grundspeisen werden in Salzburg zentral produziert und täglich gekühlt ausgeliefert: Saucen für die Currys und die Basis für die Suppen. Vor Ort werden diese dann mit frischen Zutaten nach genau festgelegten Rezepturen finalisiert. Monatlich werden Verlust- und Gewinnrechnungen erstellt, alle Piloten treffen sich in großer Runde, um ihre Ergebnisse und ihre Arbeit zu diskutieren: Man lernt voneinander.
Hilfe aus der Zentrale
Soulkitchen übernimmt die Mitarbeiterrekrutierung und die Aus- und Weiterbildung über die hauseigene Academy. Und stellt Mitarbeiter on demand zur Verfügung. Die Ausbildung läuft mittlerweile auch dual in Zusammenarbeit mit zwei Universitäten. Die Studiengebühren und die praktische Ausbildung übernimmt Raschhofer. Dafür bekommt er topausgebildete Leute: „Wir wollen sie zu Gastrounternehmern ausbilden.“ Am Ende des Studiums könnte es zu Joint Ventures kommen: „Dann bauen wir für die neuen Piloten neue Flieger.“ Die ersten Bachelorabschlüsse werden heuer erwartet.
Auch das Marketing, den Einkauf, die rollierende Speisekarte, das Look & Feel der Filialen übernimmt die Zentrale. „Das Entscheidende ist der Prozess“, sagt Raschhofer. Denn der alte Spruch: „Wer nichts wird, wird Wirt“ stimme schon lange nicht mehr. „Ich kenne kaum eine Branche, die so komplex ist wie die Gastronomie.“ Und da könne man als noch so leidenschaftlicher Einzelkämpfer oder mit dem Prinzip Wirtshaus, in dem die ganze Familie bis zur Selbstausbeutung mitarbeitet, nur noch selten reüssieren, sagt Raschhofer: „Ein guter Gastronom soll konzeptionell denken können, ein guter Koch sein, Führungsqualitäten besitzen, Social-Media-Experte sein, Ahnung von Marketing und Markenführung haben. Und er sollte gute Kontakte zu den Behörden haben. Eine juristische Ausbildung wäre auch nicht schlecht.“ Das kann ein Einzelner nicht leisten. Darum sagen Branchenkenner wie Toni Mörwald schon lange, dass die Systemgastronomie auf dem Vormarsch ist. Hannes Raschhofer nennt das lieber Markengastronomie: Weil die Marke nach außen und innen gepflegt wird, weil es um Qualitätssicherung geht, Standardisierung und den ganzen Support drumherum.