Quereinsteiger zeigen ihr Können
„Sie wollen zeigen, welche hervorragende Gastgeber sie in dieser kurzen Zeit schon geworden sind“, sagte WIFI Tourismus Produktmanager Norbert Schöpf bei der „Night of Talents“ in Innsbruck. Schöpf gilt gemeinsam mit Gastronomie Fachgruppenobmann Alois Rainer (die beiden kennen sich noch aus der Schulzeit in der Hotelfachschule Villa Blanka) und Hotelfachgruppenobmann Mario Gerber als Architekten der neuen Tiroler Ausbildungsschiene „Talents for Tourism“, die im Oktober 2019 gestartet ist.
Damit soll dem Fachkräftemangel im Tourismus entgegengewirkt und Quereinsteiger für die Branche gewonnen werden. Langjährige Mitarbeiter bekommen die Chance zur Höherqualifizierung. Im Rahmen der 18-monatigen Ausbildung durchlaufen die „Talents“ eine vollständige Berufsausbildung für die Berufe Koch/Köchin, Restaurantfachmann/frau und Hotelkaufmann/frau mit Lehrabschlussprüfung bei vollem Gehalt und Jobgarantie. Gelernt wird am WIFI Tirol in Form des „Blended-Learning“-Konzept, einer Mischung aus klassischem und digitalem Lernen, um die „Schulzeit“ außerhalb des Betriebs möglichst kurz zu halten.
In den ersten zwei von insgesamt zwanzig Modulen wurden die Auszubildenden so weit geschult, dass sie in den teilnehmenden Partnerbetrieben schon gut mitarbeiten können. Und eben dieses Können durften die 20 Talents – davon sieben im Berufsbild Hotelkauffrau/Hotelkaufmann, sieben Restaurantfachleute und sechs Köche - im Rahmen eines Galadinners am WIFI in Innsbruck zeigen.
Lehre contra Kurzausbildung?
Von der Hoteliersfamilie Laura und Wolfgang Seyrling-Riess erfahren wir, dass mit Stefan Bidner ein Quereinsteiger ins Küchenteam des Hotel Klosterbräu in Seefeld geholt wurde. Der Mitzwanziger hatte sich aufgrund des Talentprogramms beworben. Personalchef Wolfgang Riess erzählt, dass es deswegen anfangs innerbetriebliche Spannungen gegeben habe. „Wir haben sogenannte Spätzünder im Betrieb, die ebenfalls mit über 20 Jahren Quereinsteiger sind, aber eine Lehre begonnen haben. Sie verdienen also weniger als das Talent.“
Riess habe sich mit den Mitarbeitern zusammengesetzt und versucht, den Unterschied aufzuzeigen. Der Kurzzeitausbildung mit achtzehn Monaten und höherem Gehalt stehe die dreijährige Lehre gegenüber, die weit mehr in die Tiefe gehe. Zudem werde die Lehrlingsausbildung im Klosterbräu mit Zusatzschulungen und Auslandspraktika im Rahmen von zwei- bis sechswöchigen EU-Austauschprogrammen ergänzt. Diese Möglichkeiten der Förderungen stehe den Talents nicht zur Verfügung. Die Entscheidung obliege dann den Bewerben, was wichtiger wiege. Das Geld oder die Ausbildung. „Nach drei Jahren sollte man einen Tick besser sein als nach achtzehn Monaten. Wir sind in jedem Fall für beide Wege offen.“
Im Klosterbräu will man das Programm weiterhin ausschöpfen und künftig zwei bis drei Talents pro Jahr fix ausbilden. Der Einstieg der Talents-Neulinge komme am Anfang teurer. Da müsse man das Risiko, ob der Auszubildene auch durchhält und im Betrieb bleibt, abwägen. Auswahlkriterien seinen Vorkenntnisse und die Motivation. Für den nächsten Kursstart im März 2020 ist mit Hilfsköchin Hedwig eine langjährige Klosterbräu-Mitarbeiterin, die sich stets motiviert für Weiterbildung gezeigt habe, für die WIFI- Ausbildung zur Köchin und damit Höherqualifizierung bereits angemeldet. Das Talentsprogramm komme deswegen bei den Betrieben gut an, glaubt Riess, weil die Bewerber „fokussierter seien, in welche Richtung es gehe. Es ist eine Win-Win-Situation für Betrieb und Mitarbeiter.“
Erster Praxistest
Indes beginnt das Galadinner. Unter Anleitung der WIFI-Trainer Philipp Stohner (Küche), Patrick Heininger (Service) und Mandy Engelhardt (Hotelkauffrau) werden selbstgebackene Brote mit Trüffel- und Zitrusbutter, in Salzlake gebeizter Tiroler Kwellsaibling mit Beurre-Blanc, Erbsencreme und Tomaten, Karottenschaumsuppe, Teriyaki-Schweinebauch, Karottencreme und als Hauptgang Entenbrust, Blaukrautjuis, Blaukrautknödel und Kartoffel-Haselnusscreme serviert. Die Talents geben bei Begrüßung, Aperitif, Tischzuweisung, Weinauswahl, Kochen, Servieren, Nachschenken bis hin zur Lösung des Problems „Nussallergie“ unserer Tischnachbarin alles.
Talent Lukas
Wir fragen den angehenden Restaurantfachmann Lukas, 27 Jahre alt, warum er sich für die Ausbildung entschieden hat. „Einfach weil ich eh schon so viel Spaß am Beruf habe und der Tätigkeit an sich, möchte ich noch einen drauf setzen, mehr Professionalität erlernen und weiter vorankommen.“ Lukas trifft man im Winter auf der Faulbrunnalm und im Sommer im Hotel Almhof in Galtür. Die Freizeit nützt Lukas aus Deutschland zum Skifahren und Wandern. Dass er am Wochenende arbeiten muss, macht ihm nicht aus. „Mein erster erlernter Beruf ist Landwirt. Da wird auch am Wochenende gearbeitet.“
Talent Ákos
Ákos Farkas hat in Ungarn maturiert, kam nach Tirol und hat im Gasthof Post in Strass im Zillertal als Spüler angefangen. „Wir haben schon bald gesehen, dass er ein helles Köpfchen ist und Talent für das Kochen hat“, erzählt Chef und Fachgruppenobmann Alois Rainer. Bei der Mithilfe zu Vorbereitungsarbeiten in der Küche zeigte sich, dass da noch mehr geht. Akos selbst sei zuerst unsicher gewesen, ob er am Talentsprogramm wegen möglicher Sprachbarrieren überhaupt teilnehmen kann. Nach dem ersten Modul aber sind die Bedenken verflogen. „Ákos ist zu mir gekommen und hat sich bedankt, dass er beim Programm mitmachen darf. Er ist begeistert, was er in kurzer Zeit gelernt hat.“ Schon jetzt könne man die Premiere als Erfolg verbuchen, ist Rainer vom Talentsprogramm überzeugt.
Zum Abschluss des Abends gibt’s Valrhona Schokoladentarte, Waldbeerragout und Sauerrahmeis. Die Talents werden vor den Vorhang geholt und ausgiebig beklatscht. Sie sollen erste Botschafter und gemeinsam mit den Ausbildungsbetrieben Multiplikatoren für das Talentsprogramm sein. An die Gäste ergeht der Wunsch, die positive Stimmung hinauszutragen. Als Zuckerl gelte nach wie vor: Für interessierte Talents fallen keine Ausbildungskosten an. Die 6000 Euro werden über die Betriebe und Förderungen gedeckt. Betriebe, die sich für das Programm interessieren, können noch an der Pilotphase teilnehmen. Für die ersten 90 Teilnehmer fallen lediglich 800 Euro pro Teilnehmer an. Dies wird über Förderungen seitens der WK Tirol und dem Land Tirol möglich gemacht. Alle Infos auf tirol.wifi.at/tft